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Stefanie Wöhl

Mainstreaming Gender? Widersprüche europäischer und nationalstaatlicher Geschlechterpolitik

Königstein/Ts.: Ulrike Helmer Verlag 2007; 257 S.; pb., 24,90 €; ISBN 978-3-89741-249-1
Politikwiss. Diss. Marburg; Gutachter: H.-J. Bieling, B. Sauer. – Die gleichstellungspolitische Strategie des Gender Mainstreaming (GM) wird zumeist aus policy-analytischer oder organisationssoziologischer Perspektive betrachtet. Im Unterschied dazu wählt Wöhl einen staatstheoretischen Fokus. Sie fragt danach, ob GM als „Modernisierungsstrategie zu beurteilen ist, die sich in die marktrelevanten Projekte der Europäischen Union einfügt und ihre Relevanz als Gleichstellungsinstrument auf nationalstaatlicher Ebene verliert“ (11). GM wird als Ausdruck einer „Konsens- und Modernisierungsstrategie“ interpretiert, die „eine neoliberale Regierungstechnologie des Staates und suprastaatlicher Geschlechterpolitiken“ (14) darstellt. Wöhl untersucht ihre These am Zusammenspiel zwischen der EU und der BRD und konkreter im Bereich der Beschäftigungspolitik. Hierfür greift sie auf das Gouvernementalitätskonzept von Foucault, auf die Hegemonietheorie von Gramsci sowie auf die Staatstheorie von Poulantzas zurück, die sie um die Kategorie Geschlecht erweitert. Wöhl zeigt auf, wie das radikale Potenzial von GM seine Wirkung dadurch verliert, dass im Prozess der Umsetzung über die offene Methode der Koordinierung weiterhin Geschlechter segregierende Machthierarchien zum Tragen kommen. Von GM profitieren zwar einige Gruppen von Frauen, es führe aber nicht zur Transformation von Geschlechterverhältnissen insgesamt. Mehr noch profitiere aber der marktförmige Umbau europäischer Gesellschaften, da mittels GM ein individualisierender und unternehmerischer Zugriff auf die „Humanressource Frau“ ermöglicht werde. „Geschlecht“ wird, so das Fazit von Wöhl, „zu einer residualen Ressource unternehmerischer und wettbewerbsstaatlicher Vergesellschaftung“ (221). Sie plädiert dafür, das herrschaftskritische Potenzial von GM zu nutzen. Dies sei allerdings nicht den „Femokratinnen“ zu überlassen, die an der Nutzung von GM als Regierungstechnologie mitwirken, sondern bedürfe sowohl kritischer feministischer Öffentlichkeit als auch alternativer Instrumente in der Gleichstellungspolitik.
Gabriele Abels (GAB)
Prof. Dr., Professur für Innen- und EU-Politik, Universität Tübingen.
Rubrizierung: 2.27 | 3.5 | 4.1 Empfohlene Zitierweise: Gabriele Abels, Rezension zu: Stefanie Wöhl: Mainstreaming Gender? Königstein/Ts.: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28944-mainstreaming-gender_34174, veröffentlicht am 23.04.2008. Buch-Nr.: 34174 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken