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Anna Funder

Stasiland. Aus dem Englischen übersetzt von Harald Riemann

Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 2004; 342 S.; geb., 24,90 €; ISBN 3-434-50576-8
Das Buch liest sich wie ein mit spannender Roman, aber leider ist es keiner. Die Leidenswege der Opfer des SED-Regimes sind immer noch Wirklichkeit. Die australische Juristin und Dokumentarfilmerin Funder, deren Recherchen mit Forschungsstipendien unterstützt wurden und die 1997 „Writer in Residence" beim Australian Center in Potsdam war, erzählt in dieser ungewöhnlichen Reportage nicht nur in Rückblenden die Schicksale einzelner Menschen, die mit dem SED-Regime unfreiwillig in Konflikt gerieten, sondern auch deren Leben in der Gegenwart und fortgesetztes Leiden an der Vergangenheit. Den ehemaligen Stasi-Mitarbeitern, die nach der Wende beruflich meist wieder auf die Füße gefallen sind, will die Autorin denn auch kein Forum bieten, ihre Arbeit aus der Vergangenheit heraus zu rechtfertigen. „Was mich interessiert, ist, wie die Leute jetzt, da alles vorbei ist, mit der Entscheidung [für das MfS] umgehen." (189 f.) Zu den Interviewten gehören neben einfachen Menschen, die in der DDR Zivilcourage bewiesen, auch der Musiker Klaus Renft und - als Kontrast - Karl-Eduard von Schnitzler. Bemerkenswert ist auch die Geschichte jenes Mannes, der 1961 im Auftrag von Ulbricht mit Farbe den Verlauf der Berliner Mauer auf der Straße vormalte und später selbst in Schwierigkeiten geriet. Funder ist ein Porträt der ostdeutschen Gesellschaft gelungen, in der die Opfer noch mit den Folgen ihrer Vergangenheit zu kämpfen haben, die Täter sich aber nostalgisch erinnern können.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.35 | 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Anna Funder: Stasiland. Hamburg: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/22047-stasiland_25129, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 25129 Rezension drucken