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Peter Schwittek

In Afghanistan

Zürich: vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich 2011; 240 S.; 22,90 €; ISBN 978-3-7281-3411-0
Der entscheidende Satz fällt bereits im Vorwort: „Afghanistan als Staat existiert eben nicht.“ (4) Ergänzt wird diese Feststellung durch weitere Aussagen wie „[i]n einem Land wie Afghanistan sind transparente Wahlen rein technisch nicht möglich“ (9) oder „[d]ie afghanische Verwaltung hatte von Anfang an keine Kapazitäten, die zu einer Fortentwicklung des eigenen Landes hätten beitragen können. Niemand half ihr, diese aufzubauen. Man tat einfach so, als ob die Verwaltung bereits über die nötigen Kapazitäten verfüge“ (172). – In einem unprätentiösen, investigativen Stil lässt Schwittek in einzelnen Vignetten die harte Realität des Lebens im Afghanistan nach dem Sturz der Taliban aufscheinen. Seine einzige Agenda, so scheint es, ist die wahrheitsgemäße Beschreibung des afghanischen Lebens – und ohne politische Ziele, ohne Wählerzahlen oder Geldgeber im Hinterkopf klingt Schwitteks Afghanistan ganz anders als das des Weißen Hauses oder der Bundesregierung. Das Buch ist ein umfangreicher Reisebericht eines Autors, der Afghanistan seit den 70er-Jahren kennt und regelmäßig bereist. Schwittek beschreibt ehrlich und ohne Beschönigungen das, was er in zahlreichen persönlichen Begegnungen mit Afghanen und Fremden in Afghanistan erlebt hat und ordnet es ein in den größeren Kontext von internationalem Militäreinsatz, westlicher Entwicklungshilfe, Korruption, Drogenhandel, Nepotismus und politischen Interessen. Seine Schlüsse sind pessimistisch. So hält er nichts von Gesprächen mit den Taliban, da diese vom pakistanischen Geheimdienst und von radikalen Arabern kontrolliert würden, die wiederum kein Interesse an einem Frieden hätten, „der sie nicht an die Macht bringt“ (216). Inwieweit diese Einschätzungen richtig sind, ist schwer zu sagen; sie zeugen jedenfalls von einer tiefen Desillusionierung des Autors mit dem, was internationale Entwicklungshilfe leisten kann, darf und will. Er schlägt abschließend unter anderem vor, ausländische Fachleute einzusetzen, die „mit den afghanischen Behörden zusammenarbeiten, sich an Planungen beteiligen und die Befugnis haben, Ausgaben zu verweigern oder zu genehmigen“ (223 f.). Auf diese Weise sollten Korruption und Nepotismus zum Wohle der Menschen jenseits der großen Geldströme beendet werden.
Christiane J. Fröhlich (CJF)
Dr., Soziologie mit Schwerpunkt Friedens- und Konfliktforschung, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Hamburg.
Rubrizierung: 2.68 | 2.21 | 2.23 | 2.25 | 2.27 | 2.263 Empfohlene Zitierweise: Christiane J. Fröhlich, Rezension zu: Peter Schwittek: In Afghanistan Zürich: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21745-in-afghanistan_40882, veröffentlicht am 08.09.2011. Buch-Nr.: 40882 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken