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Y. Michal Bodemann / Micha Brumlik (Hrsg.)

Juden in Deutschland – Deutschland in den Juden. Neue Perspektiven

Göttingen: Wallstein Verlag 2010; 294 S.; geb., 19,- €; ISBN 978-3-8353-0780-3
„Es zeigt sich [..], dass eine Gemeinschaft sich nicht über Katastrophen definieren kann oder aus Katastrophen heraus lebt, sondern letztlich nur über ihre religiöses und kulturelles Erbe“ (10), schreiben die Herausgeber einleitend. Entsprechend haben sie ein gegenwartsbezogenes Lesebuch zusammengestellt, in dem nicht nur jüdische, „meist nach innen gerichtete[.] Stimmen“ (9) zu Wort kommen, sondern auch nichtjüdische und nichtdeutsche Beobachter. In ihren Bestandsaufnahmen zeichnen die Autoren ein vielschichtiges Bild des jüdischen Lebens, wobei deutsche Juden als „sozial geschlossene Gruppe“ (Moshe Zuckermann, 218) in Deutschland kaum noch vorzufinden seien. In der Nachkriegszeit seien die Gemeinden von osteuropäischen Shoah-Überlebenden getragen worden, in den vergangenen zwei Jahrzehnten seien Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion aufgenommen worden. Heute sei die jüdische Gemeinschaft „keineswegs so monolithisch wie sie sich noch in den 1980er Jahren präsentierte“ (10), stellen Bodemann und Brumlik fest. Diese neue Entwicklung des deutschen Nachkriegsjudentums steht im Mittelpunkt der Beiträge, in denen Selbst- und Außenwahrnehmung thematisiert werden. Tom Segev verknüpft diese Wahrnehmungen zudem pointiert mit den Phänomenen Antisemitismus und Zionismus und vor allem mit den vielfältigen Meinungen in Israel. „Israelis diskutieren viel. Bis heute haben sie ihre Identität als Juden nicht gefestigt und sind zu keiner Einigung über die Grundwerte ihrer Gesellschaft gelangt.“ (195) Segev ist deshalb auch der Ansicht, dass eine kritische Haltung gegenüber Israel zulässig ist. In der Rede Merkels in der Knesset 2008 vermisste er sogar „den Hinweis auf die deutsche Verpflichtung, auch die Menschenrechte der Palästinenser zu verteidigen“ (196). Michael Wolffsohn dagegen zieht aus der vor 1933 nicht geglückten Integration der Juden in Deutschland Schlüsse mit Blick auf die Integration der Muslime: Sprache, Bildung und Partizipation seien keine Garantie für ein Gelingen, eher der Ausgleich kultureller Differenzen. Vor allem aber stehe der Notwendigkeit eines rechtlich gesicherten Minderheitenschutzes die Notwendigkeit gegenüber, „dass jede Minderheit die Mehrheit und ihren Lebensstil gelten lässt“ (238).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.35 | 2.3 | 2.63 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Y. Michal Bodemann / Micha Brumlik (Hrsg.): Juden in Deutschland – Deutschland in den Juden. Göttingen: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21639-juden-in-deutschland--deutschland-in-den-juden_39492, veröffentlicht am 11.01.2011. Buch-Nr.: 39492 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken