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Henrik Bispinck / Jürgen Danyel / Hans-Hermann Hertle / Hermann Wentker (Hrsg.)

Aufstände im Ostblock. Zur Krisengeschichte des realen Sozialismus. Hrsg. im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München/Berlin und des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam

Berlin: Ch. Links Verlag 2004; 344 S.; brosch., 24,90 €; ISBN 3-86153-328-6
Das gewaltfreie Ende der kommunistischen Regime in Osteuropa sei aus der Sicht vieler Menschen einem Wunder gleichgekommen, weil den Protestbewegungen in den Jahrzehnten zuvor mit Gewalt begegnet worden war. Aber trotz ihrer Niederschlagung seien sie „zu einem zentralen Bezugspunkt für die nationale Identität der Ungarn, Polen, Tschechen und Slowaken geworden" (9), schreiben die Herausgeber. Nur der 17. Juni 1953 wurde nicht im selben Maße „zu einem Kristallisationspunkt für die Identität der Deutschen" (10). Dies sei nicht nur der nationalsozialistischen Vergangenheit zuzuschreiben, die einer positiven Identifikation mit der Geschichte entgegenstehe, sondern auch der deutschen Teilung, die durch diesen Aufstand nicht beseitigt worden sei. Die Ereignisse des 17. Juni 1953 stehen im Mittelpunkt dieses Bandes, wobei ebenso wie in den Analysen der anderen osteuropäischen Protestbewegungen über die nationalgeschichtliche Perspektive hinausgegangen wird. Vor allem die DDR-Geschichte werde so stärker als bisher „in einen breiteren europäischen Kontext" (20) eingeordnet. Dieser Ansatz geht wie ein Teil der Beiträge auf eine Konferenz zurück, die das Zentrum für Zeithistorische Forschung und das Institut für Zeitgeschichte zusammen mit der Fritz Thyssen Stiftung im April 2003 in Berlin veranstalteten. Die Autoren widmen sich in erster Linie Einzelfragen, weshalb die Herausgeber einleitend einen Überblick über neue Gesamtdarstellungen zum 17. Juni 1953, nennenswerte Einzel- und Regionaldarstellungen sowie über Forschungsansätze aus anderen Disziplinen geben. Ein Beispiel sind sozialanthropologische und handlungstheoretische Ansätze, mit denen sich Verlaufsformen von Massendemonstrationen erklären lassen: So wird das Treffen der demonstrierenden Arbeiter mit den Angehörigen anderer Schichten vor den Toren der Gefängnisse als ein - unbewusster - „Rückgriff auf ‚klassische' Revolutionsmuster" (16) mit dem Ziel gedeutet, eine Wiederherstellung des Rechts zu fordern. Aus dem Inhalt: Henrik Bispinck / Jürgen Danyel / Hans-Hermann Hertle / Hermann Wentker: Krisen und Aufstände im realen Sozialismus (9-22) Karl Schlögel: Der 17. Juni und die Krisengeschichte des sozialistischen Systems (23-41) Von der Krise zum Aufstand: Die DDR 1952/53 Elke Scherstjanoi: Wirtschaftspolitische Fehlentscheidungen im Vorfeld der Krise. Betrachtungen zur ostdeutsch-sowjetischen Herrschaftskooperation 1952/53 (45-73) Michael Schwartz: SED-Sozialabbau und Bevölkerungsprotest. Strukturbedingungen und Eskalation des Konflikts zwischen SED-Regime und Schwerbeschädigten im Vorfeld des Juni-Aufstands von 1953 (75-96) Dierk Hoffmann: Grotewohl als Vermittler? Zum Krisenmanagement der SED-Machtelite 1953 (97-112) Thomas Lindenberger: „Gerechte Gewalt?". Der 17. Juni 1953 - ein weißer Fleck in der historischen Protestforschung (113-128) Krisenphänomene in der DDR bis 1989 André Steiner: Zur Anatomie der Wirtschaftskrisen im Sozialismus (131-143) Henrik Bispinck: Flucht- und Ausreisebewegung als Krisenphänomene: 1953 und 1989 im Vergleich (145-161) Hans-Hermann Hertle: Volksaufstand und Herbstrevolution: Die Rolle der West-Medien 1953 und 1989 im Vergleich (163-192) Krisenmanagement und Protestformen in Ostmitteleuropa: Vergleichende Perspektiven Peter Hübner: Arbeitskampf im Konsensgewand? Zum Konfliktverhalten von Arbeitern im „realen" Sozialismus (195-213) Jürgen Danyel: Im Schatten der Panzer. Zum Krisenmanagement der SED 1953, der KS? 1968 und der PVAP 1980/81 (215-229) Hermann Wentker: Entsatellisierung oder Machtverfall? Das sowjetische Imperium und die innerstaatlichen Konflikte im Ostblock 1953 bis 1981 (231-255) Bernd Stöver: Der Westen und die Aufstände im Osten. Formen der Einflussnahme und Reaktionsmuster im Vergleich (257-274) Krzysztof Ruchniewicz: Antistalinisten und Chartisten, Reformer und politische Aussteiger. Die verschiedenen Oppositionsgenerationen im real existierenden Sozialismus (275-285) Árpád von Klimó / Alexander M. Kunst: Krisenmanagement und Krisenerfahrung. Die ungarische Parteiführung und die Systemkrisen 1953, 1956 und 1968 (287-307) Old?ich T?ma: Das kommunistische Regime in der Tschechoslowakei und seine Gegner. Phasen, Zäsuren und Generationen der Opposition 1948-1989 (309-333)
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.62 | 2.25 | 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Henrik Bispinck / Jürgen Danyel / Hans-Hermann Hertle / Hermann Wentker (Hrsg.): Aufstände im Ostblock. Berlin: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/20813-aufstaende-im-ostblock_24267, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 24267 Rezension drucken