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Simone Weil

Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Parteien. Aus dem Französischen von Esther von der Osten

Berlin: diaphanes 2009; 48 S.; brosch., 10,- €; ISBN 978-3-03734-059-2
Der in einer optisch ansprechenden Ausgabe vorgelegte Essay entstand während der letzten Lebensmonate der 1943 im Alter von 34 Jahren verstorbenen Philosophin in London. Es handelt sich um eine sprachlich und inhaltlich lesenswerte Abrechnung mit dem Parteiwesen, das für Weil die Wurzel des Totalitären darstellt. Das Individuum sieht sie in seinem politischen Handeln idealerweise ganz dem Gemeinwohl verpflichtet, was durch die Parteien in Form einer unangemessenen Hörigkeit des Gewissens untergraben werde. Die theoretische Grundlage ihrer Ausführungen bildet Rousseaus identitäre Konzeption des Gemeinwillens. Weils Schrift kann in ihrer Intensität und Prägnanz durchaus mit der Parlamentarismusschelte Carl Schmitts verglichen werden. Während letzterer jedoch die hergebrachten, altliberalen Maßstäbe John Stuart Mills heranzieht, um das Parteiwesen zu delegitimieren, welches für ihn eigentlich schon aufgrund des rousseauschen Demokratieverständnisses unangemessen ist, benennt Weil ihre theoretische Basis jederzeit explizit. Sie hängt dem antipluralistischen Glauben an die Existenz eines objektivierbaren Guten an: „Die Parteien sind ein fabelhafter Mechanismus, der bewirkt, dass über ein ganzes Land hinweg nicht ein einziger Geist seine Aufmerksamkeit der Anstrengung widmet, in den öffentlichen Angelegenheiten das Gute, die Gerechtigkeit, die Wahrheit zu erkennen. [...] Vertraute man die Organisation des öffentlichen Lebens dem Teufel an, er könnte nichts Tückischeres ersinnen“ (26). Die Abhandlung kann insgesamt als fast schon idealtypisches Beispiel für die enge und in der weitergedachten Konsequenz antidemokratische Verbindung zwischen treffender zeithistorischer Beobachtung, identitärem Ideal und antipluralistischer Ablehnung der Parteien angesehen werden. Gerade deshalb handelt es sich um eine lohnenswerte Lektüre.
Markus Linden (LIN)
Dr., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, SFB 600 - Teilprojekt C7 "Die politische Repräsentation von Fremden und Armen", Universität Trier.
Rubrizierung: 5.42 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Markus Linden, Rezension zu: Simone Weil: Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Parteien. Berlin: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/14823-anmerkung-zur-generellen-abschaffung-der-politischen-parteien_36407, veröffentlicht am 23.09.2009. Buch-Nr.: 36407 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken