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Slavoj Žižek

Auf verlorenem Posten. Aus dem Englischen von Frank Born

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2009; 319 S.; 14,- €; ISBN 978-3-518-12562-5
Kaum jemand kann den scheinbaren Triumph des Kapitalismus so fulminant in Grund und Boden schreiben wie der Philosoph Žižek – und den Zweifel säen, das in China der „demokratische zweite Schritt, der auf das autoritäre Tal der Tränen folgen soll, einfach für immer ausbleibt“ (50). Diese „merkwürdige Kombination aus Kapitalismus und Kommunismus ist keineswegs eine lächerliche Absonderlichkeit“ (46), sondern habe dem Land eine rasche Modernisierung unter der Bedingung sozialer Stabilität gewährleistet. Die Feststellung, dass „der Markt kein gutartiger Mechanismus ist“ (52), und das Erstaunen darüber, dass sich „Figuren wie Bill Gates [...] als Marktradikale und als multikulturalistische Humanisten“ (59) geben, führt Žižek zu dem zweiten Schritt in dieser insgesamt überaus kurzweiligen, prall mit Belegen aus Politik, Philosophie und Literatur gefüllten Analyse: Er nimmt sich stellvertretend für die Linke die Positionen von Simon Critchley und Antonio Negri vor und zerreißt ihre Theorien in kleinste Teilchen. Dann arbeitet er sich an den Gedanken Alan Badious ab und kommt unter Bezugnahme auf Lacan zu dem Ausgangspunkt einer neuen linken Position: „Antikapitalismus sollte nicht das unmittelbare goal emanzipatorischer Politik sein, aber doch ihr oberstes aim, der Fluchtpunkt ihres gesamten Tuns.“ (213) Nachdem Žižek den Kapitalismus damit zumindest theoretisch erledigt hat (und sich zu allen denkbaren Themen wie zur Folter, zur Hisbollah und zur Unmöglichkeit, außerhalb des Parteistaates politisch zu agieren, geäußert hat), skizziert er in einem dritten Schritt „die Umrisse einer neuen linken Strategie“ (30), in deren Mittelpunkt die Klimakatastrophe als größte Herausforderung der Menschheit steht. Aber statt von dem Rückgriff auf Hegel aus neu zu starten, ruft Žižek ausgerechnet Heidegger in den Zeugenstand – und so endet dieser linke Theorieentwurf enttäuschend: Propagiert wird eine „‚ewige Idee’ des egalitären Schreckens“ – die Menschen sollen sich kollektiven (nicht: demokratischen) Entscheidungen beugen und Umweltsünder von „Informanten“ (319) denunziert werden.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 5.43 | 5.42 | 2.2 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Slavoj Žižek: Auf verlorenem Posten. Frankfurt a. M.: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/14425-auf-verlorenem-posten_35853, veröffentlicht am 03.11.2009. Buch-Nr.: 35853 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken