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Wolfgang Kersting

Rechtsphilosophische Probleme des Sozialstaats

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2000 (Würzburger Vorträge zur Rechtsphilosophie, Rechtstheorie und Rechtssoziologie 26); 41 S.; brosch., 13,29 €; ISBN 3-7890-6963-9
Der Aufsatz liefert einen sehr gut strukturierten, Position beziehenden Überblick über rechtsphilosophische Ansätze zum Thema Sozialstaat. Er fragt nicht, ob eine philosophische Theorie des Sozialstaates sinnvoll möglich ist, sondern welche Theorieansätze bereits vorliegen. Im einführenden Teil erläutert Kersting knapp den Unterschied zwischen erzwingbaren Rechtspflichten und nicht erzwingbaren Tugendpflichten (Hilfsbereitschaft, Solidarität), aus dem sich der Statusunterschied von freiheitlichen (kategorischen) und sozialen (hypothetischen und konditionalen) Grundrechten ergibt. Aus der systematischen Vorrangigkeit der Freiheitsrechte folgert Kersting, dass die Sozialstaatsbegründung mit Argumenten der Rechtsstaatsbegründung erfolgen muss, keinesfalls aber durch konkurrierende normative Grundannahmen geschehen kann. "Fraternité ist kein Rechtsbegriff. [...] Man [muss] vielmehr das normative Profil des Sozialstaates aus den normativen Quellen gewinnen, die für die Rechtfertigung von Rechtsstaat und Demokratie bereit stehen." (15) Auf den folgenden Seiten stellt Kersting vier "kohärenztheoretische Begründungsmodelle" (15) des Sozialstaates vor. Die minimalistische Version, die die sozialen Leistungen des Staates auf die Daseinsfürsorge (16-21) beschränken will, verwirft Kersting. Mit der bloßen Sicherung der Subsistenz könne die Wahrnehmung der Freiheitsrechte nicht garantiert werden. Kersting selbst favorisiert mit Kant das Konzept der Freiheitsfürsorge (21-24). Über die Subsistenzsicherung hinaus garantiert der freiheitsphilosophisch begründete Rechtsstaat nämlich auch die "bürgerliche Lebensform", die die Wahrnehmung der Freiheitsrechte garantiert (22). Begründungsversuche, die Sozialstaatlichkeit auf einem anderen Fundament als dem der liberal verstandenen Freiheitsrechte fußen lassen, verwirft Kersting dagegen als letztlich freiheitsgefährdend. Die Diskurstheorie verstehe soziale Leistungen als Demokratiefürsorge (24-28), weil nur ein materiell ausreichend saturierter Bürger die Pflichten öffentlicher Autonomie zu wahren in der Lage sei. Die von Rawls inspirierte Vertragstheorie dagegen mache ein Konzept der Gleichheitsfürsorge (28-40) stark, das letztlich einem freiheitsfeindlichen Paternalismus das Wort rede.
Florian Weber (FW)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.44 | 2.342 Empfohlene Zitierweise: Florian Weber, Rezension zu: Wolfgang Kersting: Rechtsphilosophische Probleme des Sozialstaats Baden-Baden: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/13715-rechtsphilosophische-probleme-des-sozialstaats_16441, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 16441 Rezension drucken