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Micha Brumlik / Hajo Funke / Lars Rensmann

Umkämpftes Vergessen. Walser-Debatte, Holocaust-Mahnmal und neuere deutsche Geschichtspolitik

Berlin: Das Arabische Buch Verlag 2000 (Schriftenreihe Politik und Kultur am Fachbereich Politische Wissenschaft der Freien Universität Berlin); 181 S.; 19,80 DM; ISBN 3-86093-240-3
Dass jüngst noch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, äußerst empört über den Vorschlag der Stadt Halle reagierte, den Schriftsteller Martin Walser mit dem Preis "Das unerschrockene Wort" zu ehren, zeigt nachdrücklich, welche Irritationen Walser mit seiner Rede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels 1998 ausgelöst hat. Der damalige Vorsitzende des Zentralrats, Ignatz Bubis, war der Erste, der Walser nach dessen Rede einen "geistigen Brandstifter" nannte und ihn beschuldigte, unter dem Vorwand, eine Instrumentalisierung der deutschen Vergangenheit kritisieren zu wollen, latenten Antisemitismus zu verbreiten. Die sich daran anschließende, sehr heftige und nicht ohne persönliche Verletzungen bleibende Debatte in den Medien stellt für die Autoren des Bandes den "ersten Antisemitismusstreit der Berliner Republik" dar (119), in dem sich die "Konturen einer neuen deutschen Geschichtspolitik" abzeichnen (10). In dieser Perspektive rückt Walsers Rede neben den Streit um das geplante Berliner Holocaust-Mahnmal und die - abstoßenden - Auseinandersetzungen um die Entschädigungszahlungen für NS-Zwangsarbeiter in eine Fluchtlinie, die eine "Diskursverschiebung" (115) der politischen Kultur der Bundesrepublik markiert, "in der sich das nationale Selbstbild von der kritischen Erinnerung an den Holocaust zu befreien trachtet und dabei mythisierend erneuert" (125 f.). Der Band ist Ignatz Bubis gewidmet. Inhalt: Hajo Funke: Friedensrede als Brandstiftung. Zu Elementen und Wirkungen von Martin Walsers nationaler Selbstversöhnung im Kontext deutscher Gedenkpolitik (13-27); Lars Rensmann: Enthauptung der Medusa. Zur diskurshistorischen Rekonstruktion der Walser-Debatte im Licht politischer Psychologie (28-126); Micha Brumlik: Messianischer Blick oder Wille zum Glück. Die Kryptotheologie der Walser-Bubis-Debatte (127-134); Lars Rensmann: Baustein der Erinnerungspolitik. Die politische Textur der Bundestagsdebatte über ein zentrales "Holocaust-Mahnmal" (135-167); Hajo Funke: Andere Erinnerung. Zu Ästhetik und Kultur des Gedenkens (168-173); Micha Brumlik: Der Sinn des Holocaustdenkmals zu Berlin. Überlegungen zum Mahnmal (174-177); Hajo Funke: Walsers später Triumph (178-180).
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.35 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Micha Brumlik / Hajo Funke / Lars Rensmann: Umkämpftes Vergessen. Berlin: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/12412-umkaempftes-vergessen_14827, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 14827 Rezension drucken