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/ 05.06.2013
Markus Daniel Zürcher

Solidarität, Anerkennung und Gemeinschaft. Zur Phänomenologie, Theorie und Kritik der Solidarität

Tübingen/Basel: Francke Verlag 1998 (Basler Studien zur Philosophie 8); 186 S.; 58,- DM; ISBN 3-7720-2077-1
Phil. Diss. Basel. - Es ist gewiß kein Zufall, daß das Konzept der Solidarität nicht mehr nur Eingang in politische Problemanalysen - dann freilich zumeist in appellativer Gestalt - findet, sondern neuerdings auch zum Gegenstand theoretischer Bemühungen gemacht wird. Gerade weil die Empirie moderner Gesellschaften unverkennbare Desintegrationstendenzen aufweist, ist die Frage brisant, ob Solidarität an bestimmte, sozialstrukturell möglicherweise verblassende Formen von Gemeinschaften gebunden ist oder ob sie auch im Kontext einer modernen, weitgehend funktional differenzierten Gesellschaft reformuliert werden kann. Vor diesem Hintergrund möchte Zürcher Solidarität als sozialphilosophische Kategorie entwickeln, die in einem komplementärem Verhältnis zum Prinzip der Gerechtigkeit steht und deren Ort die rechtsstaatlich verbürgerte Demokratie als Sphäre politischer und sozialer Kooperationen bildet (176). Der Autor entwickelt diese Überlegung in drei Schritten: Im historisch-systematischen Teil geht es ihm - bezogen auf Kant, Hegel und Marx - um eine Rekonstruktion der ethischen Diskussion, auf deren Basis Solidarität als eine Form der Sittlichkeit bestimmt werden kann (13 ff.). Im zweiten, historisch-begrifflichen Teil verfolgt er - vor allem mit Blick auf den Solidarismus (Bourgeois), die materiale Wertethik und die katholische Soziallehre - das Hervortreten des normativen Verständnisses von Solidarität (53 ff.). Der dritte, wieder systematisch angelegte Teil setzt sich mit exemplarischen Positionen der aktuellen Sozialphilosophie auseinander (104 ff.). Dabei sieht er im Ansatz von Honneth, Solidarität als Form von Anerkennungsverhältnissen zu konzeptualisieren, die Möglichkeit, gegenüber liberalen (Rawls), diskurstheoretischen (Habermas) und kommunitaristischen (Taylor, Walzer, Rorty) Lesarten eine neue Perspektive zu formulieren. Inhaltsübersicht: I. Historisch-systematischer Teil. Entwicklung der Fragestellung an klassischen Positionen der Sozialphilosophie (Kant, Hegel, Marx): Moralität und Sittlichkeit als Ausgangspunkt; 1. "Wohltätigkeit" und "Selbständigkeit" als ergänzende Prinzipien zu "Freiheit" und "Gerechtigkeit". Zur Staats- und Sozialtheorie von Immanuel Kant; 2. G. W. F. Hegels Kritik der bürgerlichen Gesellschaft und die Suche nach einer übergeordneten Form der Sittlichkeit; 3. Karl Marx' Kritik der hegelschen Sittlichkeit und seine Auffassung des Menschen als Gattungswesen. II. Historisch-begrifflicher Teil. Theoriebereiche und Geschichte der Solidarität: Solidarität in der Rechtssprache; 1. Konzepte und Theorien der Solidarität in der französischen Philosophie und Soziologie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts; 2. Solidarität in der Ethik; 3. Solidarität in der Politik. III. Systematischer Hauptteil. Stellenwert, Funktion und Gehalt der Solidarität in der aktuellen Sozialphilosophie: 1. "Brüderlichkeit" als Rechtsprinzip und die Konzipierung der "wohlgeordneten Gesellschaft" als soziale Gemeinschaft: John Rawls; 2. Solidarität als komplementäres Prinzip der Gerechtigkeit und als verknappende gesellschaftliche Ressource: Jürgen Habermas; 3. Gemeinschaft als Solidarität? Kommunitaristische Positionen (Charles Taylor, Michael Walzer); 4. Solidarität statt Objektivität? Exkurs zu Richard Rorty; 5. Solidarität als dritte Form der Anerkennung: Axel Honneth.
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.425.435.33 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Markus Daniel Zürcher: Solidarität, Anerkennung und Gemeinschaft. Tübingen/Basel: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/7255-solidaritaet-anerkennung-und-gemeinschaft_9681, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 9681 Rezension drucken
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