Der vorliegende Essay geht auf einen Vortrag zurück, den der Autor im April 1995 im Goethe-Institut in Paris gehalten hat. Maier stellt dar, daß die Kapitulation 1945 zu Anfang als Niederlage und "Ende deutscher Möglichkeiten, deutscher Geschichte" (10) gesehen wurde. Im Lauf der Jahre aber habe sich die Einsicht durchgesetzt, daß der 8. Mai 1945 auch die Befreiung von der Unterdrückung bedeutete. Westdeutschland wurde "zum Rechtsstaat, ja zum Rechtswegestaat" (17). Daneben habe ein "Prozeß politisch-historischer Gewissenserforschung - oft bis zum Selbstquälerischen" (27) stattgefunden, der Ausdruck der Suche der Deutschen nach ihrem Vaterland gewesen sei. Nach der Wiedervereinigung sei es jetzt an der Zeit, so die abschließenden Worte Maiers, die nationalen Interessen klar zu definieren, um nicht bei anderen Völkern die Angst vor einem neuen deutschen Hegemonialstreben entstehen zu lassen, und "Raum für einen schlichten Patriotismus, ein bescheidenes Nationalgefühl zu schaffen" (39 f.), damit "der künftigen Geschichte so etwas wie Normalität" (39) zurückgegeben wird.