/ 20.06.2013
Ursula Mihçiyazgan
Der Irrtum im Geschlecht. Eine Studie zu Subjektpositionen im westlichen und im muslimischen Diskurs
Bielefeld: transcript Verlag 2008 (GenderStudies); 286 S.; 29,80 €; ISBN 978-3-89942-815-5Mit den Arbeiten Judith Butlers zur Kategorie des Geschlechts und zahlreichen Arbeiten zur Kategorie der Kultur sind diese beiden Begriffe in den Kultur- und Sozialwissenschaften zunehmend problematisch geworden. Die Autorin dieser Untersuchung stellt sich der Aufgabe, die kulturelle Dimension der Geschlechterdifferenz zu untersuchen und nimmt dabei die in neueren feministischen und postkolonialen Arbeiten entworfene Essentialismus-Kritik auf. Die zentrale Forschungsfrage, der sich sowohl empirisch über Interviews als auch theoretisch über die Diskursanalyse genähert wird, lautet, worin sich die Darstellungen der Wahrnehmung eines fremden Körpers von Deutsch und Türkisch sprechenden Männern und Frauen unterscheiden. Jedoch kritisiert Mihçiyazgan bereits im zweiten Kapitel ihre eigene Forschungsfrage, wegen der Selbstverständlichkeit mit der sie „kulturelle Differenz vorausgesetzt habe“ (107). Als zentrale Frage folgen sodann Überlegungen, wie eine diskurstheoretische Analyse von Interviewtexten vorzunehmen ist. Die Prämisse der Überlegungen ist, dass das Gesagte nicht ein Konstruiertes (wie in konstruktivistischen Ansätzen) ist, sondern ein Zitieren oder Wiederholen. Mit Butler versteht Mihçiyazgan das Wiederholen als Effekt des Befehls, nach dem das Individuum sprechen muss, um im Diskurs als intelligibles Subjekt Geltung beanspruchen zu können. Sie führt weiter aus: „Da aber in der diskurstheoretischen Analyse das Sprechen des (singulären) Subjekts […] betrachtet wird“ (232), sei es nötig, im Falle des Interviews eine Interaktionsanalyse vorzunehmen. Es gelingt der Autorin in der Interviewauswertung zu zeigen, dass in den muslimischen und westlichen Diskursen „beide Regeln für ‚Frau’, den Regeln für ‚Mann’ nachgeordnet sind“ (266), was sie als relevant für den Feminismus benennt. Zudem deutet sie ihre Erkenntnisse politisch, da es nicht möglich sei, im westlichen und muslimischen Diskurs gleichzeitig als Mann zu gelten. Damit stellt die Autorin abschließend die Frage, ob die Aggression radikaler Islamisten nicht doch mit der Gleichzeitigkeit der Diskurse zusammenhänge.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.27 | 2.23 | 5.42 | 5.46
Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Ursula Mihçiyazgan: Der Irrtum im Geschlecht. Bielefeld: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/21903-der-irrtum-im-geschlecht_37224, veröffentlicht am 21.10.2009.
Buch-Nr.: 37224
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Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
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