/ 06.06.2013
Samuel Salzborn (Hrsg.)
"... ins Museum der Altertümer" Staatstheorie und Staatskritik bei Friedrich Engels
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2012 (Staatsverständnisse 47); 198 S.; 29,- €; ISBN 978-3-8329-5797-1Die theoretischen Leistungen von Friedrich Engels werden nur selten explizit gewürdigt – und noch seltener unabhängig von denen seines kongenialen Partners Karl Marx. Umso erfreulicher ist es, dass die Reihe „Staatsverständnisse“ nicht nur der Marx’schen Staatskritik einen eigenen Band gewidmet hat (siehe Buch‑Nr. 34450), sondern diesen nun mit einem über Engels’ Beitrag zu einer materialistischen Staatstheorie ergänzt. Denn gerade mit Blick auf die Analyse von Staat und Staatlichkeit, so hält der Herausgeber gleich zu Beginn des Buches fest, seien die von Engels angestellten Überlegungen „wesentlich exponierter“ (13) gewesen als die von Marx. Darüber hinaus habe Engels gerade in Bereichen, die nicht den Kern der politischen Ökonomie betreffen, zahlreiche eigene wertvolle Analysen vorgelegt, die für staatstheoretische Zusammenhänge von Interesse seien. Er sei nicht nur „einer der bedeutendsten Analytiker von Krieg und Militär seiner Zeit“ (107, Rüdiger Voigt; vgl. zu dieser Thematik außerdem den Beitrag von Herfried Münkler); bei Engels seien außerdem die politischen Konsequenzen der Marx’schen Kapitalismusanalysen sehr viel expliziter deutlich geworden. Gerade in diesem letzteren Aspekt aber zeige sich – so der Herausgeber in einem äußerst lesenswerten Beitrag – teils auch die Zweischneidigkeit der Engel’schen Schriften. So habe Engels gerade mit Blick auf Fragen einer postkapitalistischen Gesellschaft oftmals dazu geneigt, Utopie und Theorie, Wunschvorstellungen und wissenschaftliche Analysen zu vermengen. Durch derartige Mängel an theoretischer Präzision habe er zum einen – ungewollt – „den realsozialistischen Zwangsherrschaftsregimen die Anknüpfung an sein Werk ermöglicht“ (24), zum anderen aber auch „die zentralen Funktionsmomente von Gesellschaft negiert“ (25), da er seinen „naiven Glauben an eine ‚Urgesellschaft’“ (23), die frei von Konflikten ist, nicht habe aufgeben wollen. Inwiefern diese Kritik in ihrem vollen Umfang gerechtfertigt ist, lässt sich zumindest diskutieren – implizit gegenteilig argumentiert zum Beispiel Georg Fülberth in seinem Beitrag. Gerade diese Heterogenität der Beiträge macht unter anderem den Charme des Sammelbandes aus, der neben einer umfangreichen positiven Würdigung von Engels theoretischen Verdiensten auch viele Anknüpfungspunkte für eine kritisch‑konstruktive Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten seiner Schriften bietet.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.33 | 5.41
Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Samuel Salzborn (Hrsg.): "... ins Museum der Altertümer" Baden-Baden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/9184--ins-museum-der-altertuemer_42490, veröffentlicht am 10.01.2013.
Buch-Nr.: 42490
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Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
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