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/ 21.06.2013
Martina Novotny

Die Revolution frisst ihre Eltern. 1968 in Österreich: Kunst, Revolution und Mythenbildung

Marburg: Tectum Verlag 2008 (Geschichtswissenschaft 4); 184 S.; pb., 24,90 €; ISBN 978-3-8288-9619-2
Es ist eine nahezu klassische Frage der Historiografie, wie wesentlich und wie aussagekräftig Jahreszahlen letztlich sind. Der Autorin ist jedoch sicher zuzustimmen, wenn sie meint, dass insbesondere 1968 „sinnbildlich für eine Reihe geschichtlicher Ereignisse steht“ (7). Ins Umfeld eines Spiels mit Jahreszahlen gehört auch die mit ihnen verbundene Mythen- und Schlagwortbildung, die rückwirkend ganz neue Sinnbezüge herstellen können. Diesem Problem widmet sich die Autorin insbesondere für den Bereich von Kunst und Kultur anhand von Literaturrecherche und Zeitzeugeninterviews sowie einem vergleichenden Blick zu den Nachbarn Deutschland und Frankreich. Denn in Bezug auf Österreich „herrscht weitgehend Uneinigkeit“ (7), ob es sich bei den Ereignissen von 1968 nun um ein laues Lüftchen oder gar eine verkappte Revolution gehandelt habe. Novotny konzentriert ihre Untersuchung dabei vor allem auf Erscheinungen der Aktionskunst und Performances, besonders des Feminismus. Sie führt aus, wie es im Laufe der sechziger und siebziger Jahre zum Anliegen der Kunst wurde, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu analysieren und nach Kräften zu verändern. Interessant sind ihre Ausführungen über den Nexus zwischen Kunst und Politik, anhand derer deutlich wird, wie schwierig es werden kann, die Grenzen zwischen diesen Bereichen zu ziehen: „War die künstlerische Avantgarde nicht gerade nachhaltig politisiert, so erscheint umgekehrt die studentische ‚Politiklinke’ als künstlerisch motiviert“ und „1968 war in Österreich [...] fast nur eine kulturelle Revolution“ (84). Abschließend konstatiert sie dann: „Die österreichische Bewegung war leiser und sachter als ihre internationalen Leitbilder, sie sickerte erst im Laufe mehrerer Jahre verstärkt durch den Rückenwind einer breiten Reformpolitik der SPÖ-Alleinregierung durch“, verursachte dann jedoch einen „tief greifenden Wandel im Demokratiedenken“ (135).
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.42.22 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Martina Novotny: Die Revolution frisst ihre Eltern. Marburg: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/29680-die-revolution-frisst-ihre-eltern_35142, veröffentlicht am 03.12.2008. Buch-Nr.: 35142 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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