/ 17.06.2013
Hermann Reichold / Albert Löhr / Gerhard Blickle (Hrsg.)
Wirtschaftsbürger oder Marktopfer? Neue Beschäftigungsverhältnisse - ein Risiko für Gesellschaft, Recht und Ethik?
München/Mering: Rainer Hampp Verlag 2001 (DNWE-Schriftenreihe 8); 242 S.; 24,80 €; ISBN 3-87988-541-9Das "Deutsche Netzwerk Wirtschaftsethik - EBEN Deutschland e. V.", das sich die Förderung des Verständnisses der normativen Grundlagen wirtschaftlichen Handelns zum Ziel gesetzt hat, behandelte auf seiner im März 2000 durchgeführten Jahrestagung soziale, politische und rechtliche Konsequenzen "neuer" Beschäftigungsverhältnisse. Unter diesem Etikett werden die vielfältigen, oftmals "atypischen" Erwerbsformen verstanden, die - sei es etwa in rechtlicher (z. B. "Scheinselbständigkeit") oder organisatorischer Hinsicht (z. B. "Telearbeit") - markant vom so genannten Normalarbeitsverhältnis abweichen. Eine bisher offene Frage in diesem Zusammenhang ist, ob diese neuen Erwerbsformen per saldo einen größeren Handlungsspielraum für beide Arbeitsmarktparteien (Unternehmen/Beschäftigte) bedeuten oder ob sie nicht doch - wie beispielsweise der amerikanische Soziologe Sennett ("Der flexible Mensch") befürchtet - ein Ausmaß an "Flexibilität" erzwingen, für das primär die Beschäftigten mit höherer Unsicherheit zu zahlen haben. Vor allem die Beiträge des ersten (15 ff.) und des dritten Teils (193 ff.) greifen diese Problematik gleichsam aus entgegengesetzter Perspektive auf. Im ersten Schwerpunkt geht es um eine Auseinandersetzung mit der These des Industriesoziologen Voß, derzufolge die Figur des "verberuflichten Arbeitnehmers" zunehmend abgelöst werde von der des "Arbeitskraftunternehmers". Dieser Entwicklungspfad dürfte in erster Linie für hoch qualifizierte und motivierte Arbeitskräfte gelten und deshalb erörtern die Beiträge des dritten Teils Beschäftigungsmöglichkeiten für wettbewerbsschwächere Arbeitnehmer, denen aus angebbaren Gründen der Weg zur quasi unternehmerischen Vermarktung der eigenen Arbeitskraft verstellt ist. Der zweite Teil (101 ff.) thematisiert die in der Öffentlichkeit noch wenig beachtete Problematik der unzureichenden rechtlichen Absicherung von Zivilcourage am Arbeitsplatz, also den Konflikt zwischen Schutzansprüchen von Organisationen einerseits und dem ethisch-moralischen Urteilsvermögen ihrer Mitarbeiter andererseits.
Inhalt: I. Die "Neue Selbständigkeit" und das herkömmliche Arbeitsrecht: Günter Voß: Der Arbeitskraftunternehmer. Ein neuer Typus von Arbeitskraft und seine sozialen Folgen (15-31); Friedhelm Hengsbach: Neue Beschäftigungsverhältnisse aus sozialethischer Sicht (33-43); Artur Wollert: Der Arbeitskraftunternehmer - Vision und Wirklichkeit. Überlegungen zu den Ausführungen von Günter Voß (45-49); Michael Blank: Neue Beschäftigungsformen - neue Herausforderungen für das Arbeits- und Sozialrecht (51-62); Werner Dostal: Neue Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsmarkt (63-84); Heinrich Meinhard Stindt: Individuelles Bündnis für Arbeit - Das Arbeitsverhältnis mit integriertem Beschäftigungsschutz (85-100). II. Arbeitsrecht und Bürgergesellschaft: Zivilcourage am Arbeitsplatz: Valentin Thurn / Ursula Ott: Nestbeschmutzer oder Helden? Zivilcourage im Beruf (101-106); Dieter Deiseroth: Zivilcourage am Arbeitsplatz - Rechtliche Rahmenbedingungen (107-145); Albert Löhr: Whistleblowing als Prozess: Auf welche Böden fällt Zivilcourage? (147-174); Bernd Rüthers: Arbeitsrecht - eine Frage der Weltanschauung (175-191). III. Arbeitsrecht und wettbewerbsschwache Arbeitnehmer: Ulrich Walwei: Beschäftigungspolitische Strategien für wettbewerbsschwächere Arbeitnehmer (193-216); Peter Hanau: Gesinnungsethik oder Verantwortungsethik im Arbeitsrecht? (217-226); Winfried Müller: Kombilohn - kombinierte Entlohnungssysteme (227-230); Hans Würgler: Konzept der "Gesellschaft für gerechte Arbeitsverteilung" (GeGAV) (231-238).
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.342 | 2.35 | 2.262
Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Hermann Reichold / Albert Löhr / Gerhard Blickle (Hrsg.): Wirtschaftsbürger oder Marktopfer? München/Mering: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/14978-wirtschaftsbuerger-oder-marktopfer_16996, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 16996
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Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
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