/ 17.06.2013
Manuel Castells
Die Macht der Identität. Teil 2 der Trilogie: Das Informationszeitalter. Übersetzt von Reinhart Kößler
Opladen: Leske + Budrich 2002; XII, 449 S.; geb., 34,90 €; ISBN 3-8100-3224-7Castells Trilogie versteht sich in Anlehnung an Marx' "Kapital" als umfassende, empirisch fundierte Analyse der Dialektik der Globalisierung. Thema des ersten Bandes (siehe ZPol 1/03: 184 f.) war die durch die Informationstechnologie induzierte Herausbildung der globalen, kapitalistischen Netzwerkgesellschaft, deren Mittelpunkt das Netz der Finanzströme bildet; diese Gesellschaft ruft eine Spaltung zwischen den am Netz Teilhabenden und den Ausgeschlossenen hervor. Dieser Band zeigt nun, wie - nachdem die Netzwerkgesellschaft die tradierten sozialen Identitäten ausgehöhlt hat - die Ausgeschlossenen neue soziale Identitäten konstruieren, auf deren Grundlage die kalte Logik des Kapitalismus durch einen globalen Pluralismus überwunden werden kann. In ihrem Widerstand gegen die Netzwerkgesellschaft entwickeln die Ausgeschlossenen zunächst eine rein negative Abwehrhaltung, aus der heraus die Vorstellung von einem anderen Leben und einer anderen Gesellschaft entworfen wird; diese Vorstellung konstituiert die Identität einer neuen sozialen Bewegung. Der größte Teil des Buches (Kapitel 1-4) widmet sich der Analyse solcher Bewegungen, die Castells - ohne weitergehende Begründung des Unterscheidungskriteriums - in rückwärtsgewandte Bewegungen (islamischer Fundamentalismus, US-amerikanische Miliz- und Patriotenbewegung u. a.) und progressive Bewegungen unterteilt (Umweltbewegung, Feminismus, Homosexuellenbewegung u. a.). Zwei weitere Kapitel untersuchen die Aushöhlung der Machtbasis des Nationalstaates durch die Globalisierung und den Wandel der Demokratie durch die zunehmende Bedeutung elektronischer Medien. Der Band enthält eine Reihe interessanter Beobachtungen (z. B. zu den Gemeinsamkeiten zwischen islamischen Fundamentalisten und US-amerikanischen Milizen), doch bei der zentralen These handelt es sich um nichts anderes als eine Umformulierung der Marx'schen Revolutionstheorie, angereichert mit dem Pluralismus der Postmoderne. Wie aber auf der Grundlage dieses radikalen Pluralismus die ablehnende Haltung gegenüber "rückwärtsgewandten" sozialen Bewegungen begründet werden soll, bleibt das Geheimnis des Autors.
Hendrik Hansen (HH)
Dr., Lehrbeauftragter, Politische Theorie und Ideengeschichte, Universität Passau.
Rubrizierung: 2.2 | 2.23 | 2.22 | 2.21
Empfohlene Zitierweise: Hendrik Hansen, Rezension zu: Manuel Castells: Die Macht der Identität. Opladen: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/15596-die-macht-der-identitaet_17782, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 17782
Rezension drucken
Dr., Lehrbeauftragter, Politische Theorie und Ideengeschichte, Universität Passau.
CC-BY-NC-SA