Die als Europa-Journalistin in Brüssel tätige Autorin beantwortet in dem für eine breite Leserschaft geschriebenen, gut verständlichen Buch 101 Fragen zur Europäischen Union. Dabei stellt Reichstein die Fakten nicht nur rein sachlich-neutral vor, sondern lässt mitunter auch ihren persönlichen Standpunkt zu Problemen erkennen, die in Deutschland als größtem Mitgliedsland der EU kontrovers diskutiert werden. Dazu zählen etwa die türkischen Beitrittsambitionen oder auch die EU-Dienstleistungsrichtlinie. Mitunter sind die Formulierungen bewusst einseitig zugespitzt, um klassische Negativklischees zu entkräften, so zum Beispiel bei der Frage: „Sind alle EU-Abgeordneten faul?“ (57) Hinsichtlich der deutsch-französischen Freundschaft als Motor der EU kritisiert Reichstein, dass Kompromisse immer seltener von europäischem Geist getragen seien und stattdessen nationale Interessen dominierten. Zudem neigten Paris und Berlin dazu, ihren Standpunkt schnell zur allgemeinen EU-Meinung zu erheben, ohne die übrigen Mitglieder zu konsultieren. Ausführlich geht die Autorin auf die geschichtliche Entwicklung der EU ein. Indem sie die Bedeutung von europapolitischen Protagonisten wie Jean Monnet, Robert Schuman, Walter Hallstein und Jacques Delors in knappen Porträts herausarbeitet, setzt sie einen Kontrapunkt zur oft beklagten Gesichtslosigkeit der an prominenten Identifikationsfiguren chronisch armen EU. Auch das institutionelle Arrangement wird im Lichte der verschiedenen Vertragsetappen von Maastricht bis Lissabon vorgestellt. Aufgrund seiner kompakten Frage-Antwort-Form und der kurzen Information zu den wichtigsten Aspekten ist das Buch besonders für schulische Bildungszwecke und die außerschulische politische Bildungsarbeit geeignet. Politikwissenschaftlich Interessierte werden stattdessen eher umfangreichere und für ein Fachpublikum konzipierte Publikationen bevorzugen.