/ 21.06.2013
Daniel Gaus
Der Sinn von Demokratie. Die Diskurstheorie der Demokratie und die Debatte über die Legitimität der EU
Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2009 (Campus Forschung 936); 298 S.; kart., 29,90 €; ISBN 978-3-593-38870-0Diss. TU Darmstadt; Gutachter: P. Niesen, R. Schmalz-Bruns. – Gaus setzt sich kritisch von der Rezeptionslage der „Diskurstheorie der Demokratie“ von Jürgen Habermas ab. Er verwirft die aufgefundene These, diese Diskurstheorie vertrete einen normativ-präskriptiven bzw. normativ-evaluativen Geltungsanspruch, und stellt die Gegenthese auf, „dass sie sich als Bestandteil einer allgemeinen Soziologie verstehen lasse und als solche mit dem explanativen Geltungsanspruch einhergehe, Zusammenhänge politischer Praxis in modernen Gesellschaften zu beschreiben“ (281). Hieran anknüpfend stellt die Rekonstruktion der Habermas’schen Ansätze den Hauptteil der Arbeit dar. Entsprechend der Vorstellung, die Habermas’sche Theorie könne als Vorschlag eines allgemeinen Erklärungsmodells sozialer Ordnung gedeutet werden, hält Gaus die Überprüfung dieses Geltungsanspruchs im Kontext der Ausbildung der Rechtsordnung in der EU für eine Möglichkeit der Weiterentwicklung einer rekonstruktiv verfahrenden Soziologie der Demokratie. Diese spezifische Einordnung der „Diskurstheorie der Demokratie“ greift allerdings auch im Anschluss an eine ambitionierte Rekonstruktion zu kurz. Die Habermas’sche Diskurstheorie begründet nicht einfach Hypothesen, die durch „weitere Versuche gezielter Geltungsüberprüfung durch empirische Sozialforschung“ (284) untersucht werden können. Hier muss kein Erklärungsmodell politischer Praxis erst gewonnen werden – es ist bereits explizit in den Schriften angelegt; so skizziert Habermas bereits in den 70er-Jahren ein prozedurales Vernunftverfahren, mit dem normative Geltungsansprüche begründet und deren Anerkennung rational motiviert werden sollen. Gerade den Ansatz eines rekonstruktiv-soziologischen Verfahrens kritisiert Habermas ja, wenn er von der „empiristischen Vertauschung der Legitimität mit dem, was man dafür halte“ (Legitimationsprobleme im modernen Staat, 1976, S. 55) spricht, denn so würde der Zusammenhang zwischen Gründen und Motiven, der beim kommunikativen Handeln besteht, aus der Analyse ausgeblendet und eine vom Akteur unabhängige Bewertung der Gründe methodisch ausgeschlossen. Die von Gaus vorgenommene Einordnung der Habermas’schen Diskurstheorie verkürzt also die aus deren Komplexität erwachsenen Erkenntnis- und Forschungsmöglichkeit.
Sabrina Zucca (SAZ)
Dipl.-Politologin, Juristin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.41 | 3.1
Empfohlene Zitierweise: Sabrina Zucca, Rezension zu: Daniel Gaus: Der Sinn von Demokratie. Frankfurt a. M./New York: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/30928-der-sinn-von-demokratie_36756, veröffentlicht am 02.02.2011.
Buch-Nr.: 36756
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Dipl.-Politologin, Juristin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
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