Ebert gehörte nicht zu den charismatischen Parteiführern und war keiner der führenden sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Theoretiker. Der Heidelberger Handwerkersohn fand auch ohne Kathedersozialismus seinen Weg in den Parteivorstand um Bebel. Vielleicht konnte nur ein Pragmatiker wie Ebert Burgfrieden und Parteispaltung aushalten, im Gegensatz zu den Ideologen der Partei, die die Spaltung in MSPD und USPD betrieben. Und schließlich war Ebert mutmaßlich der richtige Mann, der den Zusammenbruch zwar auch wie jeder andere aus der politischen Elite des Kaiserreichs erlitt, aber mit seiner pragmatischen Orientierung den Neubeginn in der Weimarer Republik stützend begleiten konnte. Abgesehen von den persönlichen Angriffen gegen ihn, meisterte der Reichspräsident Krisen wie den Kapp-Lüttwitz-Putsch, die Besetzung des Ruhrgebietes und die Hyperinflation. Dass Ebert einer der bedeutendsten deutschen Staatsmänner des 20. Jahrhunderts war – so wie es Mühlhausen akribisch herausgearbeitet –, lag also keineswegs daran, „zufällig“ im November 1918 einen Tag lang Reichskanzler gewesen zu sein, sondern weil er sich der Verantwortung stellte, mochte sie angesichts von Dolchstoßlegende und Rufmord als Novemberverbrecher auch noch so unbequem sein. Es ist freilich spekulativ, seinen Tod als Weichenstellung in den Untergang der Republik zu verstehen. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass nicht zuletzt dieser Reichspräsident der Republik nachhaltig zur demokratischen Konsolidierung hätte verhelfen zu können. Die Ansätze dafür hatte er entscheidend mitgeprägt.