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/ 18.06.2013
Philipp Scheidemann

Das historische Versagen der SPD. Schriften aus dem Exil. Hrsg. von Frank R. Reitzle. Mit einer Einleitung von Claus-Dieter Krohn

Lüneburg: zu Klampen Verlag 2002; 236 S.; hc., 19,80 €; ISBN 3-934920-23-3
Die Weimarer Republik ist mit seinem Namen verbunden, war es doch der SPD-Politiker Scheidemann, der sie am 9. November 1918 ausgerufen hat und der im Februar 1919 von der Nationalversammlung zu ihrem ersten Reichsministerpräsidenten gewählt wurde. Seine Schriften aus dem Exil erscheinen nach Angaben des Herausgebers erst jetzt, weil SPD-Politiker der Nachkriegszeit den Erben immer wieder von einer Veröffentlichung abgeraten hätten. Der Grund dürfte die schonungslose Kritik Scheidemanns an der SPD und besonders an Ebert sein. Die Probleme begannen nach Ansicht Scheidemanns mit der Bewilligung der Kriegskredite 1914, wobei auch noch der SPD-Reichstagsabgeordnete Haase, ein erklärter Gegner dieser Kredite, die Zustimmung seiner Fraktion verkünden musste. Damit habe sich die SPD außerordentlich geschadet, "politisch ist sie vielleicht gerade an dieser Disziplin mit zugrunde gegangen" (92). Der Eintritt der SPD in das letzte Kabinett des Kaiserreiches sei ein "historischer Fehler" (92) gewesen, verschärft durch die Militärfrömmigkeit Eberts. Dieser sei für die Übernahme der Militär- und Beamtenstrukturen des Kaiserreiches in die Republik mitverantwortlich gewesen. Auch sei die SPD den Verleumdungen und Beschimpfungen ihrer politischen Gegner nicht entschieden genug entgegengetreten. Der Reichstagspräsident Löbe habe nicht einmal die Geschäftsordnung genutzt, um Kommunisten und Nationalsozialisten in ihre Schranken zu verweisen. Die Parteidisziplin, die dazu geführt habe, dass sich die SPD nicht den Nationalsozialisten in den Weg gestellt habe, war für Scheidemann völlig unverständlich. Er setzt sich aber nicht nur mit dem Versagen der SPD in der Weimarer Zeit auseinander und gewährt so unmittelbare Einblicke in politische Entscheidungsprozesse. Neben autobiografischen Notizen, die seine bedrückende Situation im Exil widerspiegeln, finden sich in seinen Schriften auch konkrete Prognosen über die Kriegsgefahr, die von Hitler ausgegangen ist.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.32.3112.3122.331 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Philipp Scheidemann: Das historische Versagen der SPD. Lüneburg: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/17370-das-historische-versagen-der-spd_19994, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 19994 Rezension drucken
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