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Barack Obama: Ein verheißenes Land

07.04.2021
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Autorenprofil
Vincent Wolff, M.P.P.
Übersetzt von Sylvia Bieker, Harriet Fricke, Stephan Gebauer, Stephan Kleiner, Elke Link, Thorsten Schmidt und Henriette Zeltner-Shane.
München Penguin-Verlag 2020

In diesem Teil seiner Autobiografie gewährt Barack Obama Einblicke in die ersten zwei Drittel seines Lebens. Er will den Leser*innen einen Eindruck davon vermitteln, „wie es sich anfühlt, Präsident der Vereinigten Staaten zu sein“. Sein Buch richtet sich auch an junge Menschen, die er motivieren will, an sich und Amerika zu glauben. Das Einräumen eigener Fehler und seine Fairness bei der Beurteilung politischer Gegner hält Rezensent Vincent Wolff für beeindruckend. Die Ausführungen tragen zum Verständnis von Obamas Präsidentschaft bei, ein möglicher zweiter Teil könnte die Autobiografie spannend ergänzen.

Eine Rezension von Vincent Wolff

„Der Wahlsieg und die Präsidentschaft eines Schwarzen würden die Art und Weise verändern, wie schwarze Kinder und Jugendliche sich selbst und die Welt betrachteten“ (921), fasst Barack Obama seinen bisherigen Lebensweg zusammen. Seine nun vorliegende Autobiografie enttäuscht nicht und bietet einmalige Einblicke in Obamas Leben, eine ehrliche und offene Reflexion über seinen Werdegang und eine faire Beurteilung seiner politischen Gegner.

Ihm gehe es dabei auch um eine Verteidigung seiner Politik: „[D]as Land stand jetzt besser da als zu Beginn meiner Amtszeit“ (11). Dieses Buch umfasst allerdings nur die ersten zwei Drittel des Lebens von Obama und liefert einen prägnanten Überblick über die Zweifel des Heranwachsenden bis zum Eintritt in die Politik in Chicago – ein zweiter Teil wird folgen. Es war interessanterweise die erfolgreiche Kampagne von Harold Washington, der seinen politischen Werdegang inspiriert habe: Washington wurde 1983 zum ersten Bürgermeister Chicagos gewählt und motivierte so eine Generation von schwarzen Politikerinnen und Politikern, darunter auch Barack Obama. Dies ist durchaus als Signal für Obamas eigenes Vermächtnis zu sehen. Sein kometenhafter Aufstieg wird dabei im Buch minutiös erinnert – inklusive aller Ängste und Zweifel: „Ich fürchtete mich vor der Erkenntnis, dass ich gewinnen könne“ (116).

Dabei erkennt Obama vor allem sein eigenes Talent an. „Nicht unbedingt, weil ich der geschliffenste Kandidat war, sondern weil wir die richtige Botschaft besaßen und wunderbare begabte junge Menschen angelockt hatten“ (154). Die Fähigkeit zur politischen Kommunikation und Inspiration ist zweifelsfrei eines der größten Talente des ehemaligen US-Präsidenten.

Obama beschreibt seine politischen Konkurrenten und Gegner in einer durch und durch ausgewogenen Art. Ausführlich beschäftigt er sich mit Hillary Clinton, mit ihren Schwierigkeiten und Hindernissen als aufstrebende Frau in der amerikanischen Politik und bekundet großen Respekt ihr gegenüber. In ähnlicher Weise beschreibt er John McCain, seinen Herausforderer im Jahr 2008, und dessen komplizierten Umstände innerhalb der Republikanischen Partei. Diese Erzählweise wird immer von der Beschreibung eigener Fehler begleitet. So bedauert Obama vergangene homophobe Äußerungen und Witze: „[I]ch schämte mich für mein Verhalten“ (849).

Überraschend deutlich kritisiert er den finanzpolitischen Konsens in Deutschland im Zuge der Eurokrise. Er benennt die Misere in klaren Worten und rügt Wolfgang Schäubles Forderung, „jegliche Unterstützung an die Bedingung einer angemessenen Buße zu knüpfen“ (737). Die deutsche Haltung habe die effektive Rettung der Wirtschaft erschwert und sei wirtschafts- und finanzpolitisch kaum zu rechtfertigen. Einmal mehr zeigt sich hierin der Unterschied zwischen der deutschen und der amerikanischen Debatte in der Wirtschaftspolitik.

Der wohl umstrittenste Teil von Obamas Vermächtnis ist die Außenpolitik. Es fällt schnell auf, dass diese nicht in seine Kernkompetenz fällt, sondern dass er sich viele Inhalte schnell aneignen musste. Besonders drastisch tritt dies in seiner Abhandlung zum Nahost-Konflikt zutage. Dabei wird unter anderem die Entstehung des Staates Israel verkürzt und fehlerhaft dargestellt sowie die arabische Bevölkerung einseitig als Opfer bezeichnet. Dies unterschlägt zum einen die lange Geschichte von jüdischem Leben auf dem Staatsgebiet sowie die Bedeutung der Balfour-Erklärung. Zudem vermeidet es der Autor in diesem Abschnitt, die Behandlung jüdischer Menschen in den arabischen Staaten zu erwähnen. Darüber hinaus verweigert Obama Jerusalem die Anerkennung als israelische Hauptstadt, indem er von „Tel Aviv“ (488) spricht, wenn die israelische Regierung gemeint ist – obwohl diese ihren Sitz in Jerusalem hat.

Obamas Biografie steht zwangsläufig im Schatten der Trump-Präsidentschaft. Dies führt sowohl zu einer umfassenderen Erläuterung der Begegnungen von Trump und Obama als auch zu einem klar ausformulierten Framing in der Einführung. Trump verkörpere „in allem das exakte Gegenteil von dem […] wofür wir standen“ (11). Implizit wird wiederholt die eigene Politik gegen den Amtsnachfolger verteidigt: „Ich war der festen Überzeugung, dass die Sicherheit der USA von der Stärkung unserer Bündnisse und internationalen Institutionen abhing“ (624).

Obama will „den Lesern einen Eindruck davon vermitteln, wie es sich anfühlt, Präsident der Vereinigten Staaten zu sein“ (12, Hervorhebung im Original). Daher richte sich das Buch direkt auch an junge Menschen – diese will der ehemalige US-Präsident erreichen und sie motivieren, an sich und Amerika zu glauben. Obama plädiert wiederholt für die Idee von Amerika als dem Versprechen von Freiheit: „[D]aran hielt ich mit einer Hartnäckigkeit fest, die mich selbst überraschte“ (33).

Dieses Buch ist ehrlich und überraschend reflektiert. Gerade das Einräumen von eigenen Fehlern, seine Fairness bei der Beurteilung politischer Gegner sowie das große Verständnis für deren Positionen sind beeindruckend. Über weite Strecken wirkt das Werk indes pathetisch, was deutschen Leser*innen sicherlich auffällt. An dieser Stelle sollte zudem den Übersetzerinnen und Übersetzern großer Respekt gezollt werden, die das fast tausendseitige Werk in Kürze ins Deutsche übersetzt haben. Einige Begriffe wären im Englischen besser aufgehoben („Rust Belt“ statt „Rostgürtel“) gewesen, in der Breite und Tiefe handelt es sich allerdings um ein exzellentes Werk.

Obama hat, wie bereits erwähnt, lediglich den ersten Teil seiner Autobiografie vorgelegt, der zweite Teil verspricht eine spannende Ergänzung zu werden. Für die Offenheit und Ehrlichkeit gebührt ihm höchste Anerkennung. Damit trägt diese Autobiografie erheblich zum Verständnis seiner Präsidentschaft und der damaligen geopolitischen Lage bei.

 

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Externe Veröffentlichungen

George Packer / 08.12.2020

IPG-Journal

 

 

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