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Reece Peck: Fox Populism. Branding Conservatism as Working Class

23.10.2019
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Autorenprofil
Vincent Wolff, M.P.P.
Cambridge University Press 2019

Der Populismus von FOX. Wie Konservatismus als Politik für die Arbeiterklasse vermittelt wird

„Not only does Fox’s populist journalistic style make for clever marketing and dramatic entertainment, it also stands as one of the most sophisticated and culturally astute forms of political communication in recent American history” (X), so eröffnet Reece Peck seine Abhandlung über den US-amerikanischen Fernsehsender. Dem Politikwissenschaftler gelingt es, FOX‘ Aktivitäten detailliert zu analysieren und dabei nicht in die üblichen Kritikmuster zu verfallen. Er hat über Jahre hinweg Fernseh-Material analysiert. Selbst damit aufgewachsen, versteht Peck die sprachlich-politischen Mittel des Senders wie nur wenige andere. Ihm geht es um eine komplizierte Grundfrage: Wie hat FOX es geschafft, im Zuge der Finanzkrise, konservative Wirtschaftspolitik als Politik für die Arbeiterklasse zu vermitteln?

Der Einfluss von FOX ergibt sich hierbei aus seiner Führungsrolle, die der Fernsehsender in den USA einnimmt. Seit fast zwanzig Jahren befinde er sich ununterbrochen bei den Einschaltquoten auf Platz eins, obwohl Letztere und die Zuschauerzahlen im gesamten Land zurückgehen: Doch politische Entscheidungsträger und die Durchschnittsbevölkerung nutzen vorrangig Fernsehsender für die politische Information. Dass es allerdings FOX gelungen ist, dieses Spektrum erfolgreich zu besetzen, sei bemerkenswert. Zahlreiche andere konservative Fernsehsender und Medienformate seien in den 1990er-Jahren mit ähnlichen Konzepten gescheitert.

FOX hingegen konnte sich aus zwei Gründen dauerhaft etablieren: zum einen aufgrund der großen Finanzmacht, die durch Investitionen des australischen Medientycoons Rupert Murdoch in das Unternehmen flossen und zum anderen wegen des dezidiert populistischen Stils des Senders. Letzteres sei mithilfe einer gezielten Rekrutierung von Boulevardjournalisten und eines großen Erfahrungsschatzes in der Branche erreicht worden. Murdoch sei es gelungen, erfolgreiche gesellschaftliche Trends frühzeitig zu erspüren, wie etwa die gesellschaftlich-politische Polarisierung in den USA, die technologischen Entwicklungen im Medienbereich und den Trend zur Boulevardisierung des Journalismus. Zudem sei es geglückt, hochtalentierte Personen für die Shows des Senders zu gewinnen, die durch ihre ‚performativen Unterschiede‘ (83) für weite Teile der (weißen) amerikanischen Arbeiterschicht anschlussfähig seien. Diese sprechen direkt die ‚wirklichen Amerikaner‘ (86) an, denen dabei als Idealgruppe der Bevölkerung eine moralische Rolle zukomme.

Seit FOX seinen Hauptkonkurrenten, den Fernsehsender CNN, im Jahr 2002 von der Führungsrolle bei den Einschaltquoten verdrängte, ist der Vorsprung zu den Konkurrenten Jahr für Jahr gewachsen. Das habe FOX alleine 2018 Umsätze in Höhe von 2,3 Milliarden Dollar beschert. Dies gehe mit einem großen politischen und kulturellen Einfluss einher, der nirgendwo so deutlich werde wie bei der Beeinflussung der Wahrnehmung der Wirtschafts- und Finanzkrise in den späten 2000er-Jahren. Dies sei vor allem gelungen, weil FOX die Themen Klassenkampf und Einkommensungleichheit proaktiv aufnahm und geschickt argumentativ umbaute: Nicht der Markt wurde als Übeltäter identifiziert, sondern der Staat und ‚kulturelle Eliten‘. Durch das Vorbringen eines kulturell-normativen Verständnisses von Klassenkonflikten habe es FOX geschafft, die Debatte umzufärben. Dies habe sich in der Tea Party und den damit verbundenen realen wahlpolitischen Auswirkungen gezeigt. Selten konnten konservative Republikaner größere Gewinne verbuchen als in den Kongresswahlen im Jahr 2010.

FOX, so die zentrale These des Autors, sei nicht nur als politischer Akteur zu begreifen. Zwar habe der Sender eine politische Agenda und mache daraus keinen Hehl, das sei aber bei CNN nicht anders. Entscheidender seien hingegen die ‚indirekten Wege‘ (14), in denen die Marketingstrategien der Nachrichtenprogramme politische Assoziationen durch soziale Identifikationen und kulturelle Marker schaffen. Durch rekurrierende Verweise auf seinen angeblichen Hintergrund als normaler Amerikaner aus der Arbeiterklasse, gelinge es beispielsweise dem Fernsehmoderator Bill O’Reilly, sich als Vertreter des Volkes gegen die imaginierten Kultur-Eliten zu stellen – trotz des Umstandes, dass O’Reilly selbst zu eben jener gehört.

All dies müsste allerdings nicht so bleiben. Die Vorwahlen der Republikaner im Jahr 2016 bereiteten FOX erstmals größere Schwierigkeiten. Die angenommene Vormachtstellung in der Republikanischen Partei – es könne nur gewinnen, wer sich mit FOX arrangiere – sei durch den überraschenden Sieg Donald Trumps erstmals infrage gestellt worden. Zudem seien durch Trumps Aufstieg ganz neue Widersacher auf der Medienbühne aufgetaucht – ausgerechnet von rechts. Viele Online-Formate stellen für FOX eine ernsthafte langfristige Konkurrenz dar und bringen das lange Zeit erfolgreiche Geschäftsmodell erstmals in Schwierigkeiten. Zudem haben die Skandale der vergangenen Jahre, die sowohl dem damaligen Hauptgeschäftsführer Roger Ailes wie auch der vormals wichtigsten TV-Persönlichkeit Bill O’Reilly ihre Jobs kosteten, dem Sender erheblich zugesetzt.

Peck bietet eine umfassende Analyse des Fernsehsenders und zeigt dabei all seine Facetten auf. Im Gegensatz zu anderen Abhandlungen seziert Peck nicht das Programm und reibt sich auch nicht an Provokationen von FOX auf. Ihm gelingt vielmehr eine tiefe Analyse der Performance, der Tricks und Strategien des Senders, die ihresgleichen sucht. Der Autor geht deutlich über seine Grundfrage nach der öffentlichen Umfärbung der Finanz- und Wirtschaftskrise hinaus und präsentiert eine eingehende Analyse, die sich ideal zur Einführung in diesen Themenkomplex eignet. Abschließend empfiehlt Peck zudem anderen Medien, von Antonio Gramsci zu lernen, und sich aktiver in die Auseinandersetzung zu wagen.

Der akademische und durch zahlreiche Fußnoten unterbrochene Lesefluss wird einige Leserinnen und Leser abschrecken, inhaltlich erwartet sie allerdings ein dichtes und erhellendes Werk. Peck bindet Anekdoten in das größere Bild ein und schafft damit ein rundum informatives Buch.

 

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