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Brian Fonseca / Jonathan D. Rosen: The New US Security Agenda. Trends and Emerging Threats

25.10.2017
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Autorenprofil
Dr. Axel Gablik
Basingstoke, Palgrave Macmillan 2017

Die neue sicherheitspolitische Agenda der USA. Trends und neue Bedrohungen

„Policymakers must decide what among these [security] threats and issues are priorities. Thus, policymaking is dependent on personalities: the collective experiences and values of leaders and administrators will influence the US policy priority hierarchy.“ (183) Diese These scheint unstrittig anerkannt, findet sie sich doch verbreitet in vielen Kommentaren und Veröffentlichungen zur Bush- und Obama-Präsidentschaft, zum Beispiel bei Bob Woodward und seinen Darstellungen zum Irak- und Afghanistankrieg. Muss man also diese These tatsächlich noch beweisen?

Brian Fonseca und Jonathan D. Rosen, beide Florida International University, haben dies allerdings getan und damit wissenschaftlich belastbare Grundlagen geschaffen, die auch außerhalb der akademischen Welt überzeugend sind. Gleichzeitig haben die Autoren nachgewiesen, wie sich die Wahrnehmung der Entscheider auf die Sicherheitsarchitektur der USA ausgewirkt hat und immer noch auswirkt: Wie sich die Prioritäten innerhalb der letzten fünfzehn Jahre in der US-amerikanischen Sicherheitspolitik verschoben haben, und wie diese Verschiebungen mitunter eben nicht rational zu begründen sind, sondern nicht zuletzt durch die persönliche Haltung und Weltsicht der obersten Entscheider bestimmt werden.

Die beiden Autoren verfolgen einen relativ einfach nachzuvollziehenden und gleichzeitig wirksamen methodischen Analyseansatz. Zunächst identifizieren sie die für die Akteure relevanten Sicherheitsthemen, basierend auf den öffentlichen Verlautbarungen und Entscheidungen der führenden Akteure, hier vor allem Bush und Obama und ihren jeweiligen Administrationen. Im Ergebnis überraschen die Sicherheitsthemen nicht: grenzüberschreitende Organisierte Kriminalität, Einwanderung und Grenzsicherung, Cyber-Security, Terrorismus, Energieversorgung und Umwelt sowie schließlich nichtstaatliche Akteure. In einem zweiten Schritt vergleichen Fonseca und Rosen diese Äußerungen mit den Haushaltsausgaben in den jeweiligen Sicherheitssektoren. Trotz der im Vergleich zu anderen Staaten sehr hohen Ausgaben im Sicherheits- und Verteidigungsbereich sind die Ressourcen der US-Administrationen eben doch endlich. Wer also seine Prioritätenliste verschiebt oder anpasst, kann dies nur tun, indem er die Haushaltsposten für einen oder mehrere Bereiche kürzt. Insofern lässt sich belastbar nachweisen, mit welchen Prioritäten ein Präsident sein Amt übernahm, ob er im Verlauf seiner Amtszeit eine Neubewertung beziehungsweise Umgliederung vorgenommen hat, und welches Amtserbe er dann seinem Nachfolger überlassen hat, weil sich dies eben zuverlässig in den Haushaltsgesetzen nachlesen lässt.

Der 11. September 2001 hat George W. Bush schon im ersten Jahr seiner Amtszeit gezwungen, den Terrorismus an die erste Stelle seiner Prioritätenliste zu setzen. Der „Global War on Terror“ war für seine Administration das treibende Motiv für die Einsätze in Afghanistan und im Irak. Bushs Nachfolger Barack Obama hat allerdings bewusst vermieden, vom weltweiten Krieg gegen den Terror zu sprechen, sondern entwickelte und nutzte durchgehend den gegenwärtig gebräuchlichen Terminus „Countering Violent Extremism and Terrorism“ – die Formulierung bildet mehr als nur einen temporären Reflex auf den sogenannten Islamischen Staat im Irak und in Syrien ab. Während unter der Bush-Administration die Ausgaben also vor allem für den Irak-Krieg immer wieder angehoben wurden, hat sie Obama ausgehend von seiner im Wahlkampf geäußerten Absicht, eben diesen Krieg beenden zu wollen, kontinuierlich abgesenkt.

Umgekehrt verlief die Priorisierung zum Beispiel in der Klimapolitik durch die jeweiligen US-Entscheider seit 2001: Bush erklärte, er werde nur auf belastbaren, wissenschaftlichen Nachweisen seine Maßnahmen zum Klimaschutz aufbauen; er hat die Prioritäten für dieses Politikfeld deutlich nach unten verschoben. Obama hingegen sah im Klimawandel eine wesentlich größere Bedrohung für die US-amerikanische Sicherheit und erhöhte die Ausgaben signifikant.

So nachvollziehbar und überzeugend ihre Analysen auch sind, den Autoren ist bewusst, dass die Politikfelder selbst allerdings mehr miteinander verzahnt sind als sich aus den Haushaltsplanungen ablesen lässt. Insofern ist die wachsende Einflussnahme nichtstaatlicher Akteure auf die Sicherheit eines Landes eben nicht eindeutig zu verorten: Sind sie Vertreter der Organisierten Kriminalität wie die südamerikanischen Drogenkartelle? Sind sie Terroristen? Oder sind es internationale Konzerne, die durch ihr Wirtschaftsgebaren sicherheitsrelevante Entwicklungen anstoßen oder berühren? Oder eine Kombination? Auch wenn Fonseca und Rosen ihre Fallstudien Ende 2016 beziehungsweise Anfang 2017 abgeschlossen haben und sich zudem auf die Bush- und Obama-Administration konzentrierten, so lässt sich aus ihren abgewogenen Schlussfolgerungen dennoch leicht ableiten, welchen Herausforderungen sich die Trump-Administration in ihrer Amtszeit mutmaßlich stellen muss: Die Autoren glauben, dass künftige US-Administrationen gut beraten sind, sich nicht auf einen „whole-of-government approach“ (185) zu reduzieren – so notwendig er auch ist, um das Zusammenspiel der einzelnen Agencies zu verbessern –, sondern sich vielmehr darauf fokussieren sollten, einen gemeinsamen Ansatz in der Sicherheitspolitik mit staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren auch über die nationalen Grenzen hinaus zu verfolgen. In ihren ersten Monaten scheint die Trump-Administration allerdings genau diesen Konflikt zwischen nationalem und internationalem Kurs noch nicht entschieden zu haben.

 

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