Gipfeldiplomatie im Spiegel der Literatur. Ausgewählte Kurzrezensionen
09.06.2017
Als ein Kind der Krise bezeichnet Enrico Böhm die G7-Gipfel, dabei bezieht er sich auf die Krisenphänomene der frühen 1970er-Jahre und erzählt die Geschichte der ersten sieben Gipfel zwischen 1975 und 1981. Das erste Treffen der Staats- und Regierungschefs der G7, also Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, Japans, Kanadas und der USA, fand im französischen Rambouillet statt, weitere Treffen folgten im Jahresturnus. Böhms Resümee lautet, dass sich ein mehrthematisches Aufgabenfeld herausbildete, im Mittelpunkt hätten zwar Fragen der Wirtschaft und Währung gestanden, doch seien zunehmend wirtschaftlich relevante „Sonderthemen“, etwa aus dem Bereich der Energie- oder der Umweltpolitik, erörtert worden.
Auch Johannes von Karczewski berichtet über die ersten Weltwirtschaftsgipfel. Die besondere Leistung dieser neuen Form der internationalen Zusammenarbeit habe darin bestanden, dass es gelungen sei, „national-egoistische Einzelreaktionen zu verhindern, wie sie Anfang der 1930er-Jahre in eine tiefgreifende Weltwirtschaftskrise geführt hatten“ und so ein wichtiges Moment in die internationale Politikgestaltung eingebracht worden sei.
Eine Chronik der historischen Entwicklung von der G7 über die G8 zur G20 bietet Marek Rewizorski. Die G20 sei mittlerweile ein Club der einflussreichsten Staaten der Welt, eine „zentrale Leitstelle globaler wirtschaftlicher Kooperation“. Während ihre Vorgänger noch Orte des informellen Dialogs gewesen seien, habe sich die G20 zum „wichtigsten Zentrum von [...] global governance“ entwickelt.
Um Proteste gegen die Zusammenkünfte der Staatschefs und die gewaltvollen Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und staatlichen Behörden geht es in dem von Willi Baer und Karl-Heinz Dellwo edierten Sammelband „Die blutigen Tage von Genua 2001“. Der G8-Gipfel in Italien sei der „vorläufige Höhepunkt der Eskalation von Zwangsstrategien gegen die Anti-Globalisierungsbewegung“ gewesen. Eine ähnliche Perspektive nehmen die Autoren von „Prevent and Tame“ ein. In ihrem Band wird konstatiert, dass den Protesten bei einigen G8-Gipfeln mit „paramilitärischen Polizeistrategien“ begegnet worden sei.
Dass sich G8 und G20 seit ihrem Bestehen darum bemühen, ihrer Arbeit Legitimität zu verleihen, konstatiert Jennifer Gronau. Sie spricht von einer umsichtig geplanten öffentlichen Selbstlegitimation beider Institutionen, die einem stetigen Wandel unterliege.
Über die Form der Kooperation der Finanzminister im Angesicht der Krise wird in dem von Renate Mayntz herausgegebenen Sammelband reflektiert. Sie weise nicht nur einige organisatorische Defizite auf, sondern biete den Staaten auch die Möglichkeit, nachhaltige Reformen und Regulationen zu hintertreiben, was die Chance für eine erneute Krise nicht minimiere.