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Emmanuel Macron: Révolution. C'est notre combat pour la France

20.03.2017
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Autorenprofil
PD Dr. phil. Matthias Lemke
XO éditions, Paris 2016

Frankreich soll sich bewegen
Der unabhängige Kandidat Emmanuel Macron und seine Ideen

Emmanuel Macron, 1977 geboren, ist ein Kind der französischen Bildungselite. Als Absolvent von Sciences Po und der École Nationale d’Administration (ENA) war er einige Jahre Mitglied der Sozialistischen Partei und unter Präsident Hollande von 2014 bis 2016 Wirtschaftsminister. Zuvor arbeitete er als Investmentbanker. Anfang 2016 gründete er seine eigene politische Kampagne „En marche“, was soviel wie „in Bewegung“ bedeutet. Ende 2016 kündigte er seine Kandidatur als Unabhängiger bei der Präsidentschaftswahl 2017 an. Seine programmatische Ausrichtung gilt als wirtschafts- und sozialliberal sowie als ausgesprochen pro-europäisch. Aktuelle Prognosen sehen ihn gleichauf mit Marine Le Pen. Macron hat damit also sehr gute Chancen, in die Stichwahl einzuziehen und der jüngste Präsident der V. Republik zu werden. Einen Einblick in seine politische Vision für Frankreich gibt er in seinem Buch „Révolution. C’est notre combat pour la France“, das 2016 in Paris (XO éditions) erschienen ist.

Frankreich, so Macrons Versprechen, wird ein neues Land werden. Denn „En marche“ sei keine politische Bewegung gegen, sondern für etwas. In seinem Buch, das in so gut wie keinem Bahnhofs- oder Flughafenkiosk in Frankreich fehlt, stellt er ausführlich dar, was dieses für sein soll. Dabei beginnt er mit einer Vorstellung seiner selbst, denn in seiner politischen Bewegung ist er die zentrale Figur.

Macron, in Amiens als eines von drei Kindern eines Medizinerehepaars aufgewachsen, beschreibt seine Kindheit als glücklich, zurückgezogen in der Provinz und eher mit dem Lesen von Büchern als mit dem Versuch des Ausbrechens assoziiert. Anstatt wie seine Geschwister ebenfalls Medizin zu studieren, nimmt er ein sozialwissenschaftliches Studium in Paris auf. Dort kommt er mit Paul Ricoeur in Kontakt, für den er zwei Jahre arbeitet. Im Anschluss an sein Studium geht er zunächst in den Staatsdienst, wo er erfährt, was es bedeutet, politisches Engagement zu leben, bevor er zu einer Investmentbank wechselt. Von dort wiederum führt ihn sein Weg zurück in die Politik. Nachdem er ab 2012 für François Hollande zu Europa- und Wirtschaftsfragen gearbeitet hat, machte ihn dieser nach seinem Wahlsieg bei der Präsidentschaftswahl 2012 zum Wirtschaftsminister.
Einschneidend für Macron war das Erleben der Attentate vom November 2015. Nicht nur die Attentate selbst, sondern auch die politische Auseinandersetzung mit ihren Folgen waren für ihn ausschlaggebend, die etablierte Politik zu verlassen. Insbesondere der sich abzeichnende sicherheitspolitisch motivierte Rückzug auf den Nationalstaat als Schutzraum habe ihn zu diesem Rückzug bewogen und ihn seine eigene politische Bewegung gründen lassen.

Diese politische Bewegung – „En marche“ – begreift die durch fortschreitende Globalisierung, Klimawandel, internationalen Terrorismus und soziale Ungleichheit bestimmte Gegenwart weniger als Krise, sondern als Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Dementsprechend geht es Macron nicht um eine von Krisenreaktion dominierte Haltung, sondern um politischen Gestaltungswillen. Dieser solle eine Gesellschaft ermöglichen, in der jeder Mensch die Freiheit habe, seinen Lebensweg frei zu wählen. Für Frankreich konkret bedeute das, dass das bestehende politische System wieder Verantwortung im Dienste der Bürger und durch die Bürger zulassen müsse. Erfolgreiche Politik brauche, so Macron, mehr Handlungsfreiheit und weniger Einengung durch Gesetze. Frankreich brauche mehr Dezentralisierung und insbesondere eine stärkere Einbindung und Gestaltungsfähigkeit auf lokaler Ebene. Dies bedeute aber wiederum auch, dass die Bürgerinnen und Bürger sich ihres Teils der gemeinsamen Verantwortung für die Republik bewusst sein müssten.

Fehlendes Verantwortungsbewusstsein sei zudem der zentrale Grund für das gegenwärtige Dahinsiechen Europas. Dabei sei in einer Zeit nationaler Alleingänge – sowohl was Großbritannien als auch was die USA anbelange – Europa die Lösung und nicht das Problem. Gelinge es, Europa als souveränes, demokratisches Zukunftskonzept zu denken, dann werde das letztlich auch Frankreich zugute kommen. Denn schließlich, und daran erinnert Macron seine Leserinnen und Leser explizit, werde bei der Wahl des Staatspräsidenten auch Frankreichs Vertreter am Tisch des Europäischen Rates gewählt.

Vieles in Macrons Buch bleibt vage und offen – und dennoch: vergegenwärtigt man sich die derzeit grassierenden Populismen mit ihrer Abschottungs- und Nationalisierungsrhetorik, mit ihrer ständigen Homogenitätsbehauptung, dann liest sich das, was Macron wenigstens andeutet, durchaus als revolutionär: nämlich als Versuch der Rückeroberung demokratischer Gestaltungsmacht für Frankreich und für Europa.

 

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