Skip to main content
Saulo de Matos

Zum normativen Begriff der Volkssouveränität. Rechtsphilosophische und verfassungstheoretische Versuche der Legitimierung des politischen Handelns

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Nomos Universitätsschriften: Recht 865); 299 S.; 78,- €; ISBN 978-3-8487-1742-2
Diss. Göttingen; Begutachtung: D. von der Pfordten. – Saulo de Matos geht es in seiner Dissertation um die Begründung der Volkssouveränität als normativen Begriff, der auf die Rechtfertigung politischen und rechtlichen Handelns verweist. Dazu grenzt er seine Argumentation zunächst von soziologischen Perspektiven im Sinne Webers oder Luhmanns ab; irrelevant für seine Argumentation sind „realsoziologisch dechiffrierende“ (Horst Dreier) Untersuchungen von „Motive[n] zur Anerkennung einer politischen Gewalt“ oder „einer Rechtsordnung“ (24). Stattdessen begreift de Matos die Volkssouveränität aus rechtsphilosophischer Perspektive als „Legitimationsformel des Rechts“ (34): Recht könne den Anspruch erheben, Menschen zur Ausführung oder Unterlassung einer Handlung zu verpflichten; diesen Anspruch aber müsse es selbst begründen: „Ein Gesetz kann nur verpflichten, wenn es als Teil des Ziels des Rechts angesehen wird.“ (20) Damit wendet sich de Matos gegen rein rechtspositivistische Perspektiven. Volkssouveränität sei ein Grenzbegriff des Rechts, der „sich auf eine über die positive Rechtsordnung hinausgehende Idee bezieht“ (17). Sie stelle nicht eine „bloße Beschreibung der Staatsautoritätsentstehung“ (82) dar, sondern eine „normative Grenze der politischen Gewalt, […] eine Art von Recht auf Rechtfertigung seitens des Volkes“ (83). Nur als normativer Begriff ergebe sie „einen Sinn im Rahmen des Verfassungsrechts“ (85). Im begriffsgeschichtlichen Teil bietet de Matos eine Darstellung von relevanten Ideen wichtiger spätmittelalterlicher und moderner (europäischen) Philosophen: Während die Rechtfertigung der politischen Gewalt mit Einschränkungen schon Teil der antiken Philosophie gewesen sei, habe sich das wesentliche Problem der Volkssouveränität, „die Rückkopplung der politischen Gewalt zum Volk oder zu Individuen, maßgeblich“ (86) erst im Mittelalter angesichts des Ringens zwischen weltlicher und geistiger Gewalt gestellt – insbesondere bei Wilhelm von Ockham und Marsilius von Padua. Während bei Bodin und Hobbes die Unterwerfung des Volkes unter einen souveränen Herrscher Bedingung von Politik und Frieden sei, identifiziert de Matos bei Locke und Rousseau schließlich zwei moderne Traditionen der Volkssouveränität. Eine tiefergehende Betrachtung der jüngeren Debatten zu Recht und Demokratie in der Tradition Kants, des „Vollenders Hobbes' und Rousseaus“ (Georg Geismann), hätte diese Begriffsgeschichte, auch in globaler Perspektive, bereichern können. Kleinere Ausrutscher im insgesamt guten Ausdruck fallen nicht ins Gewicht. Als Fazit: Der Band bietet eine anspruchsvolle und gelungene Begründung des „normativen Begriff[s] der Volkssouveränität“ mit reflektierter Darstellung seiner Geschichte.
{SIM}
Rubrizierung: 5.15.415.445.315.335.425.32 Empfohlene Zitierweise: Hendrik Simon, Rezension zu: Saulo de Matos: Zum normativen Begriff der Volkssouveränität. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38783-zum-normativen-begriff-der-volkssouveraenitaet_47434, veröffentlicht am 20.08.2015. Buch-Nr.: 47434 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken