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Chun-yip Lowe

Zum ewigen Frieden: Die Theorie des Völkerrechts bei Kant und Rawls

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2015 (Treffpunkt Philosophie 13); 185 S.; geb., 42,95 €; ISBN 978-3-631-65741-6
Diss. FU Berlin; Begutachtung: W. Schmidt‑Biggemann, H. Feger. – Immanuel Kants Friedensschrift (1795) findet seit einigen Jahren wieder disziplinübergreifend große Resonanz. Entscheidend für „die Wiederbelebung der kantischen Gesellschaftsvertragstheorie“ (15), so Chun‑yip Lowe, sei die Publikation von „A Theory of Justice“ (1975) von John Rawls gewesen. Die Bedeutung von Kant für Rawls ist durchaus umstritten, wie Lowe anmerkt; in Anlehnung an Allen Woods Unterscheidung von „Kants Ethik und Kantische Ethik“ (19) ordnet er Rawls der Kantischen Philosophie zu: Sein Werk basiere auf Kants Moralphilosophie, Rawls sei „Kantianer“ (18). Ausgehend vom Gesellschaftsvertrag untersucht Lowe die theoretischen Völkerrechtskonzeptionen der beiden Philosophen. Zentral für Kants Vorstellung von Gesellschaft sei der freie Wille; dieser gehe, mit Kants Worten, „‚gänzlich aus dem Begriff der Freiheit im äußeren Verhältnis der Menschen zueinander [hervor]‘“ (31). In diesem Sinn könne der vernünftig Handelnde als freier und ebenbürtiger Mensch betrachtet werden. Daher sei mit Kant die zwischenmenschliche Annäherung eine Pflicht, auch im Rechtssinne: Das allgemeine Rechtsgesetz in Kants Rechtslehre fordere, dass vernünftige Handlungen nicht auf Moral, sondern auf Legalität basierten. Daher stelle der Gesellschaftsvertrag „eine andere Fassung des allgemeinen Rechtsgesetzes“ dar. Der Gesellschaftsvertrag sei also ein Vernunftprinzip und damit „transzendentales Prinzip“ (39) in der politischen Philosophie Kants, anhand dessen sich beurteilen lasse, ob ein politisches System gerecht oder ungerecht sei. Die Rawls‘sche Gesellschaftsvertragstheorie nun basiere größtenteils auf Kants Transzendentalphilosophie – auch wenn Rawls diese in der weiteren Ausarbeitung seiner Theorie zugunsten der kompatibilistischen Freiheitskonzeption ausgeschlossen habe. Die Theorien beider Philosophen zielten, so Lowe, auf die Etablierung des ewigen Friedens: In Anlehnung an Kant stelle Rawls seine Überlegungen zur Völkerrechtstheorie an, um Problematiken in der zeitgenössischen internationalen Politik zu thematisieren. Lowe kritisiert, dass die Entfernung von Kants transzendentalem Idealismus durch Rawls dessen eigenen Anspruch auf Allgemeingültigkeit der Menschenrechte nicht nur schwäche; fraglich sei auch, ob der Anspruch in dieser Form aufrechterhalten werden könne. Gelegentliche Fehler in Ausdruck und Grammatik fallen angesichts der gut lesbaren Darstellung nicht weiter ins Gewicht. Insgesamt hat Chun‑yip Lowe eine sehr breite und hochkomplex argumentierende Gegenüberstellung zu den Völkerrechtskonzeptionen von Kant und Rawls vorgelegt.
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Rubrizierung: 4.15.335.465.41 Empfohlene Zitierweise: Hendrik Simon, Rezension zu: Chun-yip Lowe: Zum ewigen Frieden: Die Theorie des Völkerrechts bei Kant und Rawls Frankfurt a. M. u. a.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39420-zum-ewigen-frieden-die-theorie-des-voelkerrechts-bei-kant-und-rawls_47940, veröffentlicht am 18.02.2016. Buch-Nr.: 47940 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken