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Bernd Stöver

Zuflucht DDR. Spione und andere Übersiedler

München: C. H. Beck 2009 (Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung); 383 S.; Ln., 24,90 €; ISBN 978-3-406-59100-6
Der Autor untersucht die Auswanderung Westdeutscher in die DDR. Bis zum Mauerbau 1961 siedelten mehr als eine halbe Million Westdeutsche in die DDR über. Darunter waren zahlreiche (spätere) Prominente wie Stefan Heym, Wolf Biermann, Robert Havemann, Ralph Giordano oder gar Otto John, der erste westdeutsche Verfassungsschutzchef. Neben der Schilderung dieser Biografien gilt das besondere Augenmerk Stövers dem historischen Kontext. Einleitend verweist er zudem darauf, dass das Phänomen der West-Ost-Wanderung bisher einen nahezu blinden Fleck in der Geschichtsschreibung darstelle, lediglich eine Dissertation sei zu „zu dieser fast vergessenen Fluchtbewegung“ (14) bisher erschienen. Für den Autor erklärt sich dies damit, dass die DDR meist nur rückblickend aus der Perspektive ihres Scheiterns betrachtet werde. Tatsächlich müsse man sie aber auch aus ihren Anfängen verstehen, um den Reiz des DDR-Sozialismus analysieren zu können. So gebe es ebenfalls bisher keine seriöse Untersuchung zu der Frage, auf welchen Feldern die DDR in der Wahrnehmung der Zeitgenossen im Systemvergleich vorn gelegen habe. Stöver geht dieser Frage in seiner Analyse mit den Ergebnissen der Migrationstheorien an, nach denen einer Auswanderung mehr oder minder rationale Gründe, in erster Linie ökonomischer, aber auch familiärer, politischer und individueller Natur, vorausgehen. Auch schildert er die Verfassungsentwürfe der DDR und ihre Politik der Werbung um Westmigranten. Die Hervorhebung von Aspekten sozialer Sicherheit (Recht auf Arbeit, Garantie der Wohnung etc.) habe durchaus gewirkt – nur die Praxis habe anders ausgesehen. Angesichts von Desillusionierung und einer vergleichsweise starken Rückwanderung konstatiert Stöver ein Informationsdefizit der Migranten. Interessant ist, dass er im Ergebnis als wichtigstes Motiv für Migration gerade keine politischen Gründe identifiziert: „Es waren […] in erster Linie privat-familiäre Gründe […] An zweiter Stelle und mit nur geringem Abstand stand aber bereits das engere wirtschaftliche Motiv“ (321).
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Bernd Stöver: Zuflucht DDR. München: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31341-zuflucht-ddr_37300, veröffentlicht am 01.12.2009. Buch-Nr.: 37300 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken