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Tilman Seidensticker (Hrsg.)

Zeitgenössische islamische Positionen zu Koexistenz und Gewalt

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2011; VIII, 184 S.; 29,80 €; ISBN 978-3-447-06534-4
Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 verbinden viele den Islam mit Gewaltbereitschaft und Radikalität. Tatsächlich aber sei, so der Herausgeber, die Legitimität von Gewaltanwendung unter Muslimen sehr umstritten. Die Autoren des Sammelbandes konzentrieren sich auf zeitgenössische, innerislamische Kontroversen. So untersucht Rüdiger Lohlker den dschihadistischen Gebrauch von Hadit und Koran aus einer religiösen Perspektive und bezeichnet Dschihadisten als eine salafistische Gruppierung, die den „militärischen Kampf in das Zentrum ihres Denkens und ihrer Praxis stellt“ (23). Dabei distanziert sich der Autor von sozialwissenschaftlichen Analysen des Dschihadismus, er sieht darin „eine eher moralische bzw. lebensreformerische“ (23) Strömung. Er untersucht die religiöse Haltung mancher Dschihadisten zu Massenvernichtungswaffen – die dschihadistische Rationalität sei „gewiss nicht islamisch“ (34). Johanna Pink widmet sich dem Problem des „Monopols aufs Paradies“ (59) – sie geht auf die theologische Einordnung von Nichtmuslimen in islamischen Ländern ein und bringt die Frage nach dem Heilserwerb im Jenseits mit Fragen der diesseitigen Toleranz in Verbindung. Wenn ein Muslim überzeugt sei, dass die Anhänger aller anderen Religionen in die Hölle kommen, beeinflusse dies das diesseitige Handeln des Gläubigen. Die Autorin hat Positionen und Debatten von muslimischen Gelehrten in Bezug auf das „jenseitige[.] Heil“ (59) von Juden und Christen untersucht und kommt zu dem Schluss, dass muslimische Gelehrte, die in der westlichen Welt oder an westlichen, „durch den Staat reformierten“ (77) Universitäten in islamischen Ländern studiert haben, eher pluralistische Positionen vertreten. Der Sammelband ist für diejenigen empfehlenswert, die sich für Fragen des Friedens und der Gewalt im Islam interessieren. Er ist das Ergebnis der Fachkonferenz „Islamische Kontroversen zu Koexistenz und Gewalt“, die im September 2008 am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald stattfand. Die Tagung war Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes „Islamische Kontroversen über die Berechtigung von Gewalt“, das zum Forschungsverbundprojekt „Mobilisierung von Religion in Europa“ zählt.
Wahied Wahdat-Hagh (WWH)
Dr., Dipl.-Soziologe und Dipl.-Politologe.
Rubrizierung: 2.23 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Wahied Wahdat-Hagh, Rezension zu: Tilman Seidensticker (Hrsg.): Zeitgenössische islamische Positionen zu Koexistenz und Gewalt Wiesbaden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34576-zeitgenoessische-islamische-positionen-zu-koexistenz-und-gewalt_41541, veröffentlicht am 27.01.2012. Buch-Nr.: 41541 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken