Politikwiss. Diss. FU Berlin; Gutachterin: B. Riedmüller. - In der vergleichenden Sozialstaatsforschung werden Frankreich und Deutschland in der Regel mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen bescheinigt und zumeist einer Ländergruppe zugeordnet. Die Autorin will hingegen zeigen, „dass der Vergleich der länderspezifischen Wohlfahrtsstaatskulturen [...] mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten aufweist“ (16). Im Mittelpunkt ihrer Analyse stehen die Reformdebatten der letzten 15 Jahre im Bereich der Gesundheitspolitik. Der politische und ökonomische Reformdruck habe in beiden Ländern unterschiedliche Reformdebatten und -strategien hervorgebracht. Diese zeichnet die Autorin mithilfe neuerer diskursanalytischer Ansätze nach. Dabei fragt sie u. a., wie das Prinzip der Bedarfsgerechtigkeit in beiden Ländern interpretiert wird, welchen Akteuren eine besondere Deutungsmacht zukommt und wie mit dem Spannungsverhältnis von Solidarprinzip und Finanzierbarkeit umgegangen wird. In ihrem systematischen Vergleich identifiziert sie Unterschiede hinsichtlich der institutionellen Struktur des Gesundheitssystems, der politischen Steuerung sowie der Organisationsformen der Krankenkassen. Und auch der Vergleich der Reformstrategien weist trotz vergleichbarer Ziele deutliche Unterschiede in der Umsetzung auf. Darüber hinaus zeigt die Gegenüberstellung der Reformkontexte, dass man die sozialpolitische Krise in Frankreich auch in ihrer gesellschaftspolitischen Bedeutung und im Kontext sozialer Ungleichheit und Exklusion wahrnahm, während die Debatte in Deutschland primär in ihrer ökonomischen Dimension geführt wurde. Im Ergebnis plädiert die Autorin für die Weiterentwicklung diskursanalytischer Verfahren im sozialstaatlichen Vergleich als wichtige Ergänzung zu klassischen akteurszentrierten Ansätzen.