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Jürgen Reulecke / Volker Roelcke (Hrsg.)

Wissenschaften im 20. Jahrhundert: Universitäten in der modernen Wissenschaftsgesellschaft

Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2008; 268 S.; geb., 62,- €; ISBN 978-3-515-09042-1
Das Buch ist aus einer Tagung in Gießen anlässlich des 400-jährigen Jubiläums der dortigen Universität im Jahr 2006 hervorgegangen. Dementsprechend beschäftigen sich viele Autoren mit der Giessener Universitätsgeschichte. Aus politikwissenschaftlicher Perspektive interessiert in erster Linie der Beitrag von Claus Leggewie über „Politik- und Sozialwissenschaften in wechselnden politischen Kontexten des 20. Jahrhunderts“. Er unterscheidet drei Traditionslinien in der Politikwissenschaft: Im Anschluss an Max Weber stehen Souveränität, Herrschaft, das Gewaltmonopol des Staates, die Verrechtlichung und die politische Elitenrekrutierung im Mittelpunkt; in der Linie von Hannah Arendt geht es eher um Macht als Kommunikationsmedium und die Bürgergesellschaft; System- und Steuerungstheorien im Anschluss an Niklas Luhmann oder Fritz Scharpf behandeln die Funktion des gesellschaftlichen Subsystems Politik und die umstrittenen Chancen politischer Steuerung. Als zentral für die Geschichte der Politikwissenschaft erweist sich aber die Frage nach dem Verhältnis des Faches zu seinem Gegenstand, die nach 1945 mit dem Konzept der Demokratiewissenschaft beantwortet wurde. Dieses Selbstverständnis möchte Leggewie nachdrücklich gestärkt und revitalisiert wissen. Für die Fachgeschichte sind auch die wesentlichen Fragestellungen der allgemeinen Wissenschaftsgeschichte, die Volker Roelcke in seiner Einführung skizziert, von Belang. Wie ist der Prozess der Ausdifferenzierung von Disziplinen zwischen wissenschaftsimmanenten Dynamiken und politischen, ökonomischen und kulturellen Entwicklungen theoretisch in den Griff zu bekommen? Wie ist das Phänomen der „Verwissenschaftlichung des Sozialen“ (14), also die zunehmende Autorität wissenschaftlicher Expertise für das Alltagsleben, zu analysieren? Was kann über die Wechselwirkung von Politik und Wissenschaft im Verhältnis von Politikberatung, Forschungsförderung und -steuerung im Verlauf des 20. Jahrhunderts ausgesagt werden? Zur Bearbeitung der drei Problemfelder könnte die Fachgeschichte der Politikwissenschaft durchaus noch etwas beitragen.
Sebastian Lasch (LA)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.2 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Lasch, Rezension zu: Jürgen Reulecke / Volker Roelcke (Hrsg.): Wissenschaften im 20. Jahrhundert: Universitäten in der modernen Wissenschaftsgesellschaft Stuttgart: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28756-wissenschaften-im-20-jahrhundert-universitaeten-in-der-modernen-wissenschaftsgesellschaft_33922, veröffentlicht am 25.11.2008. Buch-Nr.: 33922 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken