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Alexander Pyka: Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union: Eine Analyse anhand des Sanktionsregimes gegen den Iran

12.10.2017
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Autorenprofil
Dr. rer. pol. Wahied Wahdat-Hagh
Baden-Baden, Nomos 2015 (Nomos Universitätsschriften – Recht 861)

Dieses Buch taugt zum Standardwerk: Alexander Pyka beleuchtet nicht nur die historische Dimension der Sanktionen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union gegen den Iran, sondern bewertet zudem grundsätzlich Sanktionen aus einer völker- und europarechtlichen Perspektive. Die politischen Dimensionen der Auseinandersetzungen werden ebenfalls diskutiert. Ferner analysiert Pyka die Sprache der Sanktionen, um schwache und starke Positionen in den Resolutionen zu identifizieren. So erklärt er die historische Entwicklung des Begriffs der Sanktionen und erörtert den Einfluss des Einsatzes von Wirtschaftssanktionen auf das Verhalten der Staaten. Ziele können die Einstellung militärischer Aktionen sein, die Verhinderung der Verbreitung von Waffen oder das Abstellen von Menschenrechtsverletzungen. Hinsichtlich des iranischen Atomprogramms existiert allerdings ein besonderes Problem: Die technischen Mittel, die für ein ziviles Atomprogramm eingesetzt werden, können mit geringem Aufwand auch zur Herstellung von Atomwaffen benutzt werden.

Wie erfolgversprechend sind Wirtschaftssanktionen? Pyka stellt eine prominente Studie vor, wonach „eine kaum zu vernachlässigende Erfolgsquote von immerhin 34 %“ (37) der Fälle zu verzeichnen sei. Die Grenzen von Wirtschaftssanktionen werden von ihm ausführlich diskutiert und gemäß des allgemeinen Völkerrechts das Gewalt-, Interventions- und das Diskriminierungsverbot hervorgehoben. Pyka erläutert weiter, dass Dritte-Welt-Staaten und einige Staaten aus dem ehemaligen Ostblock kontinuierlich versuchten, „Wirtschaftssanktionen in rechtlich engere Bahnen zu lenken“ (102). Die unterschiedlichen Rechtsansichten zwischen Sanktionsurhebern und Sanktionszielstaaten führten dazu, dass „eher machtpolitische als prinzipielle Erwägungen die Ausformung strengerer völkerrechtlicher Normen“ (103) verhinderten.

Pyka verzahnt in seinen Erläuterungen rechtswissenschaftliche Analysen mit politikwissenschaftlichen Perspektiven aus dem Bereich der Internationalen Beziehungen und schlüsselt so akribisch die Sanktionen des UN-Sicherheitsrates und der Europäischen Union auf. Er geht dabei auf den Inhalt und die Probleme des gesamten Sanktionsregimes ein. Da die völker- und europarechtlichen Rechtsordnungen Spielräume für den Erlass von Wirtschaftssanktionen ermöglichen, erarbeitet der Autor zunächst einen Prüfungsmaßstab für die „rechtliche Zulässigkeit eines Sanktionsregimes“ (75): Es gebe sowohl ein Willkür- und Missbrauchsverbot als auch ein Verbot der Verletzung von Normen des zwingenden Völkerrechts. Einzelstaaten seien völkerrechtlich verpflichtet, Resolutionen des Sicherheitsrates umzusetzen. Darüber hinaus können seinen Ausführungen zufolge Einzelstaaten, aber auch Regionalorganisationen wie die Europäische Union, weitergehende Maßnahmen ergreifen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind dagegen nicht verpflichtet, EU-Sanktionen, die über die UN-Sanktionen hinausgehen und nicht einstimmig beschlossen wurden, umzusetzen. Bei Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen müsse zunächst überprüft werden, ob „sowohl Urheber wie Ziel der Sanktionen Mitglied der Welthandelsorganisation und damit dem GATT unterworfen sind“ (115). In aller Regel stellten Wirtschaftssanktionen keinen Verstoß gegen das Völkerrecht dar.

Pyka schreibt aus der Perspektive des Jahres 2014, dass die Sanktionen gegen den Iran „insgesamt das aktuell umfangreichste unilaterale Sanktionsregime der USA“ (124) gewesen sei. Der Ausdruck der verkrüppelnden Sanktionen, der schon gegenüber dem Irak verwendet worden sei, habe sich in Bezug auf die Iransanktionen der USA durchgesetzt. Wirtschaftssanktionen würden nicht zur völkerrechtlich legitimierten Rechtsdurchsetzung, „sondern vielmehr allgemein als Mittel zur Verhaltensbeeinflussung anderer Staaten betrachtet und eingesetzt“ (132). EU-Sanktionen seien am Maßstab beispielsweise der europäischen Grundrechte-Charta zu messen.

Berücksichtigt werden in dieser rechtswissenschaftlichen Arbeit die Entwicklungen in Bezug auf das iranische Atomprogramm, die sich bis zum 1. Januar 2014 vollzogen haben. Insofern konnte der Autor die Atomvereinbarung vom 14. Juli 2015 (Joint Comprehensive Plan of Action), die zwischen dem Iran und den permanenten Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland (P5+1) geschlossen wurde, um den Bau einer iranischen Atombombe zu verhindern, nicht mehr in seine Analyse einbeziehen. Dennoch ist das Kapitel über das Sanktionsregime gegen den Iran insgesamt erhellend und lehrreich. Bei dem multilateralen Sanktionsregime gegen den Iran, das im Kern aus mehreren Sicherheitsresolutionen bestand, handelte es sich um typische Fälle von „Smart Sanctions“ (165), um Finanzsanktionen, Waffenembargos, einem beschränkten Güterembargo und Reisebeschränkungen. Die wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen stellten „völkerrechtsgemäße Handlungen dar, die als bloße Retorsion zu bewerten“ (192) seien, so Pyka. Das politische Primärziel der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates und der EU sei „die Verhinderung der nuklearen Proliferation“ gewesen. Der Iran sollte die Urananreicherung im eigenen Land aufgeben. Zudem sollte eine „militärische Dimension des Atomprogramms“ (221) verhindert werden. Pyka kommt in seiner Schlussfolgerung zu der Erkenntnis, dass „Wirtschaftssanktionen allein zur Durchsetzung völkerrechtlicher Normen“ (236) eingesetzt werden sollten.

 

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Weitere Literatur

Farhad Rezaei

Iran’s Nuclear Program. A Study in Proliferation and Rollback

Basingstoke, Palgrave Macmillan 2017


Sollte der Atomvertrag halten, sei das iranische Regime zum ersten Mal in seiner Geschichte effektiv zurückgedrängt worden. Diesen Schluss zieht Farhad Rezaei aus seiner politikwissenschaftlichen Analyse, in der er die Entwicklung des iranischen Atomprogramms aufzeigt und die Versuche schildert, dieses zurückzudrängen. Hervorgehoben wird, dass sich die internationale Gemeinschaft wie bei den früheren Sanktionen nicht für harte Zwangsmaßnahmen – wie zum Beispiel Schiffsblockaden – entschieden habe. Das Ziel sei mithilfe der Diplomatie und durch Wirtschaftssanktionen erreicht worden.
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Sven-Eric Fikenscher
Der Iran nach dem Atom-Deal
Eine bleibende strategische Bedrohung. Ein SIRIUS-Beitrag

Im Blickpunkt dieses Beitrags stehen die Chancen auf einen kooperationsorientierten Wandel der iranischen Außen- und Sicherheitspolitik im Zuge des Nukleardeals. Wie die nähere Analyse zeigt, enthält das Abkommen zwar weitgehende Beschränkungen der iranischen Nuklearaktivitäten, kann aber mitnichten eine strategische Neuausrichtung des Irans herbeiführen. Die Ideologie des iranischen Regimes, die Agenda und der Einfluss des Teheraner Sicherheitsapparates sowie die gesamte strategische Orientierung des Landes lassen eine unverminderte Aggressivität gegenüber den Vereinigten Staaten, Israel und einer wachsenden Zahl arabischer Staaten erkennen.
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