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Gunnar Hinck

Wir waren wie Maschinen. Die bundesdeutsche Linke der siebziger Jahre

Hamburg: Rotbuch Verlag 2012; 464 S.; 19,95 €; ISBN 978-3-86789-150-9
Hincks – ja was eigentlich? – autobiografische Retrospektive (man lese die kuriose Fußnote 127 auf Seite 436, über die sich auch Ulrich Preuß freuen wird, weil man wirklich alles über den Verkauf des Hauses seiner Eltern an die des Autors erfährt, was indes für das Buch so rein gar nicht relevant ist), seine historische Studie, seine ideengeschichtliche Reflexion beginnt mit einem manifesten Widerspruch. Da schreibt sich der Autor, Jahrgang 1973, durchaus plausibel so weit wie irgendwie möglich weg von irgendwelchen denkbaren ideologischen Berührungspunkten zur politischen Linken, erst recht zum Linksextremismus, um dann den Impuls, das vorliegende Buch zu schreiben, damit zu erklären, er habe das, von dem er sich da gerade erst so vehement distanziert hat, verstehen wollen: „Ich habe das Buch geschrieben, weil ich verstehen wollte, warum eine bedeutende Anzahl junger und jüngerer Leute in den 70er Jahren an die kommunistische Weltrevolution glaubte“ (8). Auch wenn diese Grundidee in empirischer Hinsicht überaus vage bleibt – wie viele junge Leute denn, wie jung, und vor allem: sind es heute etwa weniger, die sozialrevolutionären Utopien erliegen? – ist die dahinter aufscheinende politiktheoretische Fragestellung spannend: Kann man Fortschritt durch Gewalt erzwingen, funktioniert das, was Sven Papcke einmal „Progressive Gewalt“ genannt hat? Hincks versucht sich an dieser Frage in Form einer Kollage – einige historisierte Beobachtungen aus der „Ich war dabei“-Perspektive, einige, nie wirklich durchdiskutierte Theorieeinsprengsel (Engels, Lukács, Marcuse), eine ganze Reihe von Interviews mit Zeitzeugen sowie jede Menge Namedropping, von Obermaier bis Pol Pot. So kann eine systematische Antwort kaum gelingen und auch die anderen angerissenen Aspekte bleiben notwendig Fragment. Auch fehlt der Mut zur Differenzierung – so ist immer von „der“ Studentenbewegung die Rede, ohne dass deren Fragmentierung überhaupt diskutiert würde. Immerhin werden „die“ Studenten und „die“ Terroristen des linksextremen Spektrums – sprich Baader-Meinhof & Co. – nicht in einen Topf geworfen. Wer sich über Letztere informieren will, kann getrost weiter zu Stefan Austs Standardwerk greifen. Und Hincks? Der rechnet zum Ende des Bandes mit den verbliebenen Epigonen der 68er ab – Joschka Fischer scheint es ihm da besonders angetan zu haben. Für den, wie für alle anderen „Anführer“ (426), gelte, gerade mit Blick auf gegenwärtige Problemlagen, zu denen die vorgenannten sich indes überhaupt nicht haben äußern wollen: „Sie haben gezeigt, wie man es nicht machen kann.“ (427) Das allerdings gilt auch für dieses Buch.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.313 | 2.331 | 2.37 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Gunnar Hinck: Wir waren wie Maschinen. Hamburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35292-wir-waren-wie-maschinen_42507, veröffentlicht am 30.08.2012. Buch-Nr.: 42507 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken