Wir Abnicker. Über Macht und Ohnmacht der Volksvertreter
Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind an Weisungen und Aufträge nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. So steht es im Grundgesetz. Für den Journalisten Bülow, der seit 2002 im Deutschen Bundestag sitzt, sieht der politische Alltag zumeist anders aus. Seiner Erfahrung nach werden die Volksvertreter durch Fraktionsdisziplin und Lobbyisten in ihrem Handeln fremdbestimmt. Er beobachtet einen schleichenden Prozess des Machtverlustes, weil sich die Abgeordneten mit der politischen Dominanz der Exekutive arrangieren. Da nach Ansicht Bülows das Ansehen, Selbstbewusstsein und Gewicht des Bundestages entscheidenden Einfluss auf die Zukunft der parlamentarischen Demokratie hat, befinde sich diese in Gefahr. Dabei würden die Abgeordneten durch mehrere Faktoren in ihrem selbstständigen Aktionsradius beschnitten. Die Spitze der Partei, dessen Mitglied der Parlamentarier sei, verlange eine verlässliche Gefolgschaft in der Umsetzung ihrer Positionen. Er müsse deshalb öfter entgegen seinen persönlichen Überzeugungen abstimmen. Geschehe dies nicht, so werde eine weitere Nominierung für die folgende Legislaturperiode wesentlich erschwert. Ein weiterer Faktor sei der Lobbyismus mit seinen direkten und indirekten Formen der Beeinflussung. Bülow beschreibt die verwendeten Methoden anhand eines konkreten Gesetzgebungsverfahrens. Als Schlussfolgerung fordert er unter anderem eine Belebung der politischen Streitkultur in der Bundesrepublik, eine Demokratisierung der Parteistrukturen, die Stärkung der Abgeordnetenrechte, verbesserte Transparenz sowie einen Zuwachs an direkter Demokratie.