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Duygu Gürsel / Zülfukar Ҫetin / Allmende e. V. (Hrsg.)

Wer MACHT Demo_kratie? Kritische Beiträge zu Migration und Machtverhältnissen

Münster: edition assemblage 2013 (kritik_praxis 1); 254 S.; brosch., 16,80 €; ISBN 978-3-942885-34-8
Die Herausgeber der neuen Buchreihe „kritik_praxis“ machen es sich dezidiert zur Aufgabe, die mithin weite Diskrepanz zwischen akademischer Debatte und radikaler Praxis abzubauen, indem beide Perspektiven an einen gemeinsamen Austausch angebunden werden sollen. Hierzu intervenieren die Autoren des ersten Bandes mit dem Schwerpunkt Migration mit einem breiten Repertoire an wissenschaftlichen Analysen und aktivistischen Aufarbeitungen. Ausgehend von einem Begriff der Demokratie, der diese als einen Prozess sozialer und politischer Kämpfe begreift, wird so gefragt, welche Praktiken und Konstruktionen sich zu einer rassistischen, diskriminierenden und mitunter menschenfeindlichen Lebenswelt verquicken. In sechs Kapiteln – über Flüchtlingspolitiken in der Bundesrepublik wie in der DDR sowie über Queer‑, Gender‑ und urbane Bewegungen – werden rassistische Diskursfelder abgebildet, die aus Perspektiven der Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Kunst und Praxis beleuchtet werden. So zieht Vassilis Tsianos sein Konzept der „urbane[n] Panik“ (23) heran, um damit die komplizierte Wechselwirkung zwischen einem Integrations‑ und Ghettoisierungsdiskurs zu verdeutlichen. Er unterlegt seine Argumentation mit einer empirischen Analyse des antimuslimischen Urbanismus im Hamburger Stadtteil St. Georg. Solche mikroperspektivischen Analysen stehen neben abstrakteren Reflexionen, wie Ramon Grosfoguels Bestandsaufnahme zur geopolitischen Wissensproduktion. Diese sei weit davon entfernt, dekolonialisiert zu sein. Doch obwohl es zum westlichen Eurozentrismus beinahe kein Außen mehr gebe, dürfe weder dieser noch ein vermeintlicher „third world fundamentalism“ (174) essentialisiert werden, da beide nur zwei Spielarten desselben Problems seien und damit keine dekoloniale Alternative anzubieten hätten. Die Bandbreite der Subjektpositionen, die in den Beiträgen explizit und implizit zu Wort kommen, wird dabei immer wieder rückgebunden an die Machtverhältnisse, die diese prägen und hervorbringen. Wenn zum Beispiel der Beitrag zu konkreten Widerstandserfahrungen von Flüchtlingsinitiativen (Turgay Ulu) eine direkte Schilderung politisch subjektiver Praxis anbietet, wird diese ergänzt durch eine analytische Aufarbeitung der Produktionsmechanismen rassistisch ausgegrenzter Minderheiten (Gaston Ebua). Gerade dieser Ansatzpunkt der doppelten Reflexion der konkreten Kämpfe und ihre strukturale Einbettung ist der fruchtbare Grund, auf dem die als Ziel formulierte Annäherung von Kritik und Praxis funktionieren kann.
Alexander Struwe (AST)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 2.35 | 2.314 | 2.325 | 2.331 | 5.2 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Duygu Gürsel / Zülfukar Ҫetin / Allmende e. V. (Hrsg.): Wer MACHT Demo_kratie? Münster: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36095-wer-macht-demokratie_44017, veröffentlicht am 22.08.2013. Buch-Nr.: 44017 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken