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Sonja Buckel

"Welcome to Europe" – Die Grenzen des europäischen Migrationsrechts. Juridische Auseinandersetzungen um das "Staatsprojekt Europa"

Bielefeld: transcript Verlag 2013 (Kultur und soziale Praxis); 369 S.; 33,80 €; ISBN 978-3-8376-2486-1
Habilitationsschrift Frankfurt a. M.; Begutachtung: H.‑J. Bieling, J. Borchert, H. Brunkhorst. – Mit dem Vertrag von Amsterdam wurde die Migrationspolitik für Angehörige von Drittstaaten europäisiert. Seitdem hat sich „durch eine große Anzahl von Richtlinien und Verordnungen ein eigenständiges europäisches Migrationsrecht“ herausgebildet. Diese Entwicklung „fordert klassische staatstheoretische Annahmen heraus“, schreibt die Autorin, da sie zu „Verschiebungen von Gewaltmonopol und Staatsbürgerschaft“ (13) führt und mit vielfältigen rechtlichen und politischen Konflikten einhergeht. Diese Auseinandersetzungen im Zuge der Europäisierung der Migrationspolitik stehen im Mittelpunkt der Arbeit, in der rechts‑ und staatstheoretische Überlegungen mit einer empirischen Untersuchung verbunden werden. Eine zentrale Prämisse lautet, dass diese Konflikte Kämpfe um Hegemonie sind. An zwei Fallbeispielen unternimmt Sonja Buckel eine hegemonietheoretische Diskursanalyse. Die Fälle stammen aus dem Bereich der Migrationskontrolle und stehen für die zwei Seiten dieser Politik. Im ersten Fall geht es mit der Analyse der Rechtsprechungslinie des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) im Hinblick auf die Ausweitung subjektiver Rechte innerhalb der EU zwischen 1998 und 2008 um die innereuropäischen Kräfteverhältnisse. Der EuGH hat in mehreren Urteilen erwerbslosen Unionsbürger_innen transnationale soziale Rechte zugesprochen, was die Autorin als einen „diskursiven Bruch mit der [bis dahin vorherrschenden] neoliberalen Regierungsweise“ wertet, der jedoch nicht „zu institutionellen oder strukturellen Transformationen“ (165) geführt habe. Die zweite Fallstudie betrifft die Verrechtlichung der Seegrenze und dient als Beispiel für die „Konstruktion des Außen“ (169). Konkret geht es um die hegemonialen Auseinandersetzungen über die Geltung rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Normen im Kontext der Verschärfung der Grenzkontrollpolitik. Im Ergebnis zeigt sich, dass beide Fälle miteinander korrespondieren: „Über die beiden Techniken, die Unionsbürgerschaft einerseits und die tief verankerte Hegemonie der Grenze andererseits, wird die Zugehörigkeit zur EU konstituiert – und damit ein Element eines europäischen Staatsprojekts konstitutionalisiert. Diese Zugehörigkeit […] ermöglicht die Zurückweisung der Nicht‑Bevölkerung.“ (339) Für Buckel stellt sich die europäische Integration als hintergründiger, in den Anfängen steckender Staatsbildungsprozess dar, „der die tradierte Form des Nationalstaates längst überformt, ohne jedoch eine analoge supranationale Staatlichkeit hervorgebracht zu haben“ (338).
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 3.5 | 3.6 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Sonja Buckel: "Welcome to Europe" – Die Grenzen des europäischen Migrationsrechts. Bielefeld: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36562-welcome-to-europe--die-grenzen-des-europaeischen-migrationsrechts_44729, veröffentlicht am 02.01.2014. Buch-Nr.: 44729 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken