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John Philipp Thurn

Welcher Sozialstaat? Ideologie und Wissenschaftsverständnis in den Debatten der bundesdeutschen Staatsrechtslehre 1949-1990

Tübingen: Mohr Siebeck 2013 (Grundlagen der Rechtswissenschaft 20); XV, 631 S.; brosch., 89,- €; ISBN 978-3-16-152529-2
Rechtswiss. Diss. Freiburg; Begutachtung: A. Voßkuhle, R. Wahl. – Die juristische Lehre zählt den Sozialstaatsgedanken zu den Staatsstrukturprinzipien. Innerhalb dieser ohnehin verfassungsnormativ eher rudimentär fundierten Gruppe nimmt er insofern eine Sonderstellung ein, als er nach gängiger Vorstellung in besonders weitem Maße einer Gestaltung durch den unmittelbar demokratisch legitimierten parlamentarischen Gesetzgeber zugänglich, aber auch bedürftig sein soll. Schon diese kurze Einführung mag erhellen, warum die grundgesetzliche Verpflichtung auf „den Sozialstaat“ schon immer mit engagierten Debatten darüber einherging, was genau damit nun gemeint sei und in welchem Verhältnis politische und rechtliche Konkretisierungsanstrengungen stünden. Ersichtlich besteht an dieser Stelle nicht nur der Sache, sondern eben auch und vor allem der Struktur nach erhebliches Konfliktpotenzial und ein hieraus resultierender Reflexions‑ und Diskussionsbedarf. Der mit dieser Arbeit unternommene Versuch, die entsprechenden Grundsatzkontroversen in der bundesrepublikanischen Geschichte nachzuzeichnen, darf deshalb von Anfang an auf besondere Aufmerksamkeit sowohl bei Rechts‑ wie auch bei Politikwissenschaftlern rechnen. Dies gilt zumal, als die Darstellung insgesamt vortrefflich gelungen ist: Nachdem zunächst in angemessen knapper Weise die Fragestellung und die zur Beantwortung herangezogene Methodik erläutert wurde, widmet sich John Philipp Thurn im Hauptteil der Arbeit der minutiösen Nachzeichnung der um den Sozialstaatsgedanken geführten Debatten. Geleitet von der Grunderkenntnis in die (zumindest: auch) Kontextabhängigkeit der entsprechenden Auseinandersetzungen werden die jeweiligen Positionen nicht allein anhand der einschlägigen juristischen Publikationen (vor allem die Tagungsbände der Staatsrechtslehrervereinigung erweisen sich hier als reichhaltige Fundgrube, namentlich auch als Indikator für „Stimmungen“ innerhalb der Zunft) erläutert, sondern auch die zeitgeschichtlichen Hintergründe einbezogen. Kurz: Es handelt sich um ein aus verfassungsrechtlicher und ‑theoretischer, politikwissenschaftlicher sowie namentlich aus rechts‑ und wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive überaus lesenswertes Buch.
Steffen Augsberg (AU)
Prof. Dr., Professur Öffentliches Recht, Justus-Liebig-Universität Gießen.
Rubrizierung: 2.32.322.3135.41 Empfohlene Zitierweise: Steffen Augsberg, Rezension zu: John Philipp Thurn: Welcher Sozialstaat? Tübingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36872-welcher-sozialstaat_44679, veröffentlicht am 20.03.2014. Buch-Nr.: 44679 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken