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Jan Philipp Burgard

Von Obama siegen lernen oder "Yes, We Gähn!"? Der Jahrhundertwahlkampf und die Lehren für die politische Kommunikation in Deutschland

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2011; 255 S.; geb., 49,- €; ISBN 978-3-8329-6670-6
Politikwiss. Diss. TU Chemnitz; Begutachtung: E. Jesse. – Der Autor untersucht, welche Auswirkungen der US-Wahlkampf von 2008 auf die politische Kommunikation im deutschen Bundestagswahlkampf 2009 hatte. Zunächst beleuchtet Burgard die Unterschiede der politischen Kommunikation in beiden Ländern. Als Schlüsselfaktoren nennt er das Wahlsystem (US-Mehrheits- vs. Verhältniswahl in Deutschland), die Medienlogik (rein kommerzielles vs. Mischsystem) und das Regierungssystem (präsidentiell vs. parlamentarisch). Auch die Parteien- und Wahlkampffinanzierung (rein privates, ungehemmtes ‚Wettrüsten‘ vs. staatlich geprägtes Mischsystem) und die Kandidatenkür (Basis-Mobilisierung in Vorwahlen vs. Elitenentscheidung) werden als wichtige Variablen der politischen Kommunikation genannt, die in den USA stärker kompetitiv und personalisiert sei. Trotz der Strukturunterschiede sei allerdings eine „Amerikanisierung“ (65 ff.) schon in den Wahlkämpfen von Adenauer nachweisbar, der stark auf Emotionen und Personalisierung gesetzt und seine Kampagnenstrategen in die USA geschickt habe. In fünf Kapiteln analysiert Burgard hierauf den Einfluss des Duells Obama vs. McCain auf den Wahlkampf Merkel kontra Steinmeier. Die deutschen Protagonisten haben, obgleich mit weit weniger Charisma und Showtalent gesegnet, verzweifelt versucht, für ihre Inszenierung „etwas Glanz aus den USA nach Deutschland zu importieren“ (119 f.) – weitgehend erfolglos. In punkto Agenda Setting urteilt der Autor, dass die stereotype Gleichsetzung von Amerikanisierung mit Inhaltsleere nicht plausibel ist. Vielmehr sei der deutsche Wahlkampf – der Bildzeitungs-Titel „Yes, we gähn!“ spricht Bände – thematisch profillos gewesen, während der US-Wahlkampf etwa in punkto Wirtschaft, Soziales und Außenpolitik scharfe Konturen aufgewiesen habe. Die Bedeutung des Internets sei in Deutschland aufgrund der müden Auseinandersetzung gering geblieben, obwohl es durchaus interaktive Web 2.0-Elemente gegeben habe. Um Mobilisierungspotenziale in Deutschland künftig besser zu nutzen, bedürfe es „Kandidaten, die mitreißen können.“ (228) Burgard plädiert für Vorwahlen nach US-Vorbild, mahnt eine bessere Rhetorik, mehr inhaltliche Substanz und eine strategische Herangehensweise an. Nicht zuletzt sei die personelle Durchlässigkeit zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien zu steigern.
Ulrich Heisterkamp (HEI)
Politikwissenschaftler, Doktorand am Institut für Politikwissenschaft der Universität Regensburg.
Rubrizierung: 2.22 | 2.64 | 2.332 | 2.333 Empfohlene Zitierweise: Ulrich Heisterkamp, Rezension zu: Jan Philipp Burgard: Von Obama siegen lernen oder "Yes, We Gähn!"? Baden-Baden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34434-von-obama-siegen-lernen-oder-yes-we-gaehn_41352, veröffentlicht am 17.11.2011. Buch-Nr.: 41352 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken