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Andreas Wirsching / Jürgen Eder (Hrsg.)

Vernunftrepublikanismus in der Weimarer Republik. Politik, Literatur, Wissenschaft. Redaktion: Matthias Weipert

Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2008 (Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus: Wissenschaftliche Reihe 9); 330 S.; kart., 33,- €; ISBN 978-3-515-09110-7
Der Begriff Vernunftrepublikanismus besitzt in der Mentalitätsgeschichte einen merklich pejorativen Unterton: Er bringt zum Ausdruck, dass sich liberal-konservative Intellektuelle aus dem Kaiserreich, denen die Existenz der deutschen Demokratie keine wahre Herzensangelegenheit war, nur aus Alternativlosigkeit nach 1919 der Weimarer Republik anschlossen. Die Autoren dieses Bandes, der aus dem Theodor-Heuss-Kolloquium im Oktober 2006 hervorgeht, wollen diese plakative Verwendung des Begriffs relativieren, indem Vernunftrepublikanismus eben nicht ausschließlich als Verlegenheitsrepublikanismus verstanden wird, sondern die Bejahung einer notwendigen Vernunftethik meint, die gerade von den rechten Gegnern der Republik als Indiz einer nach Versailles aufdiktierten westlichen Aufklärung zurückgewiesen wurde. Aus diesem Grund ist auch die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen eines linken Vernunftrepublikanismus aufschlussreich. Einerseits sahen sich die Sozialisten in der Traditionsfolge der Aufklärung, andererseits musste ihr Republikanismus, dessen utopisch-sozialer Impuls notwendig in Widerspruch zur Realpolitik geriet, innere Spannungen aufweisen. Bezeichnend ist dabei die Haltung zur Sowjetunion, die von Seiten der Republikaner rigide angegriffen und sogar als Ursache für ihr demokratisches Engagement angeführt wurde, während bei den Sozialisten eine ins Irrationale abgleitende Faszination zu finden war. Während sich die Gegner der Republik an der Russischen Revolution und am Ersten Weltkrieg berauschten (was auch eine Generationsfrage war), orientierten sich Vernunftrepublikaner an den Leistungen, Erwartungen und Mängeln des Kaiserreichs oder der kurzen Ära des deutschen Liberalismus. Dies erklärt auch, dass sich die Vernunftrepublikaner, die ihr Bekenntnis zur Weimarer Republik in Rekurs auf vergangene oder kommende Ordnungen und gruppenspezifische Anliegen gewannen, zwar nicht per se in einer Defensivlage befanden, jedoch spätestens dann in Rechtfertigungsnot gerieten, als sich die Republik als nicht mehr funktional für die angestrebten Ideale und Interessen erwies.
Frank Schale (FS)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.311 Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Andreas Wirsching / Jürgen Eder (Hrsg.): Vernunftrepublikanismus in der Weimarer Republik. Stuttgart: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29407-vernunftrepublikanismus-in-der-weimarer-republik_34795, veröffentlicht am 29.07.2008. Buch-Nr.: 34795 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken