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Gero Kellermann

Verfassungsinterpretation. Das Grundgesetz als normative Ressource im gesellschaftlichen Wandel

Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag 2011 (Tutzinger Schriften zur Politischen Bildung); 109 S.; 12,80 €; ISBN 978-3-89974695-2
Im Grundgesetz sind allgemein geteilte Werte des gesellschaftlichen und politischen Umgangs festgehalten. Sie beziehen sich auf Regelungen zur Legitimität von Herrschaft, zum Schutz vor willkürlichen Staatseingriffen und zur Organisation sowie zur Zuständigkeit von Regierungsaufgaben. Damit geben sie „der politischen Lösungsfindung zumindest eine Richtung vor und bieten gesellschaftlicher Wertbildung und Verhaltensweisen einen Orientierungsrahmen“ (21). Mit seiner Arbeit, die sich vornehmlich an die Didaktik der Politik richtet, stellt Gero Kellermann, Dozent für das Themengebiet „Rechtliche Grundlagen der Politik“ an der Akademie für Politische Bildung Tutzing, diesen Orientierungsrahmen in den Kontext gesellschaftlichen Wandels und technologischen Fortschritts. Mit einigen Hinweisen auf Merkmale und Probleme des Wandels wird im ersten Teil der Arbeit für die Problematik der Verfassungsinterpretation sensibilisiert: Im Kern gehe es darum, einen politischen Raum zu eröffnen, in dem gesellschaftliche Veränderungen im Sinne der wertgebundenen Ordnung des Grundgesetzes gestaltet werden können. Da die Werte der Verfassung lediglich auf einem Minimalkonsens beruhten, die als solche nicht überdehnt werden sollten, unterstreicht Kellermann im zweiten Teil die Notwendigkeit der Verfassungsinterpretation. In Form von Entscheidungen des Verfassungsgerichts sei die Interpretation maßgeblicher als der Verfassungstext selbst. Hiernach geht der Autor auf staatsrechtliche Prinzipien der Verfassungsinterpretation ein und zeigt anhand ausgewählter Spannungsgebiete (Menschenwürde/wissenschaftlicher Fortschritt, Freiheit/Sicherheit sowie Wandel von Ehe und Feiertagsschutz als kulturprägende Institutionen) Anwendungen der Verfassungsinterpretation. Diese Beispiele bekräftigen Kellermann in der Annahme, „dass es angesichts des Wandels in Technik und Gesellschaft darum geht, den ethisch‑sittlichen Gehalt der Rechtsordnung zu konkretisieren und gegebenenfalls zu aktualisieren“ (72). Im dritten Teil weist der Autor auf Vermittlungsaufgabe und ‑möglichkeiten der Politischen Bildung hin und nennt Tagungsbeispiele. Auch für Politologen ist das Buch anregend. Indem Kellermann etwa den vagen und interpretationsbedürftigen Charakter des Grundgesetzes regelmäßig hervorhebt, deutet er an, dass dieses eine im politischen Wettbewerb für widerstreitende politische Akteure wichtige normative Ressource ist.
Hendrik Claas Meyer (HCM)
M. A., Politikwissenschaftler und Soziologe, Universität Bayreuth.
Rubrizierung: 2.32 Empfohlene Zitierweise: Hendrik Claas Meyer, Rezension zu: Gero Kellermann: Verfassungsinterpretation. Schwalbach/Ts.: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36468-verfassungsinterpretation_40430, veröffentlicht am 05.12.2013. Buch-Nr.: 40430 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken