Skip to main content
Marcus Llanque / Daniel Schulz (Hrsg.)

Verfassungsidee und Verfassungspolitik

Berlin u. a.: Walter de Gruyter 2015; 395 S.; 34,95 €; ISBN 978-3-486-58808-8
Der Band enthält die Arbeiten der Themengruppe „Verfassung und Politik“ der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft und dokumentiert „die Breite und den Facettenreichtum […] in der politikwissenschaftlichen Forschung zu Verfassungsfragen“ (2), deren Erträge schon in der Einleitung gewinnbringend zusammengefasst werden. Politikwissenschaftliche Verfassungstheorie meint dabei ein bewusstes Überschreiten des bloß Normativ‑Juridischen zugunsten einer sozial‑ und kulturwissenschaftlichen Perspektive, die auch philosophische und erkenntnistheoretische Fragestellungen mit einschließt. Politikwissenschaftliche Verfassungstheorie fragt daher stets nach dem Symbolischen jenseits des Verfassungstextes. Hier sei angemerkt, dass auch in zahlreichen juristischen Verfassungstheorien solche Referenzen zu finden sind. Der Band selbst ist klassisch zweigeteilt: Nach einem längeren Theorieteil werden einzelne Felder der Verfassungspolitik vorgestellt. Eine explizite Begründung für eine politikwissenschaftliche Verfassungstheorie liefern Rainer Schmidt und Sabrina Zucca‑Soest: Weil eine Theorie der Verfassung, die diese ausschließlich als institutionalisierte Macht deute, „semantische und kommunikative Prozesse der Geltungsbestimmung“ (131) unterschätze, bedürfe es einer Erörterung normativer Fragen. Insofern wird hier mit dem Versprechen der Jellinek‘schen Formel – Normativität und Faktizität – Ernst gemacht. Zugleich wird dessen Staatsorientierung schon deshalb unterlaufen, weil die für ihn noch selbstverständliche Gleichsetzung von Staat, Politik und Recht in einer globalen Welt und einem „pluralistischen Universum der Rechtssysteme“ (150) besonders begründungswürdig erscheinen muss. Es verwundert daher auch nicht, dass die Frage nach kosmopolitischen Konzepten in vielen Beiträgen einen wesentlichen Schwerpunkt ausmacht. Eine weitere, weniger rechtsphilosophische denn sozialwissenschaftlich zu beantwortende Frage lautet, was eigentlich eine Verfassung voraussetzt: An dieser Stelle sei der Aufsatz von Marcus Llanque empfohlen, der zeigt, dass die Existenz von Verfassungsfeinden mehr als nur ein (straf)rechtliches Problem darstellt, sondern die Integrationswirkung offenbart, die eine Verfassung noch gewährleisten kann. Verfassungsinterpretationen sind demnach Kämpfe um die politische Hegemonie; ob daher eine Verfassung lediglich ein „Fetzen Papier“ (349) ist, liegt weniger in der Logik des Dokuments denn in seiner symbolischen Bindungskraft.
{FS}
Rubrizierung: 5.15.415.332.212.322.323 Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Marcus Llanque / Daniel Schulz (Hrsg.): Verfassungsidee und Verfassungspolitik Berlin u. a.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38521-verfassungsidee-und-verfassungspolitik_46913, veröffentlicht am 11.06.2015. Buch-Nr.: 46913 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken