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Winfried Ridder

Verfassung ohne Schutz. Die Niederlagen der Geheimdienste im Kampf gegen den Terrorismus

München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2013; 177 S.; kart., 13,90 €; ISBN 978-3-423-24980-5
Winfried Ridder, langjähriger Referatsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), erteilt diesem ein niederschmetterndes Urteil: „Seine Bilanz seit mehr als vierzig Jahren in der Terrorismusabwehr ist eindeutig von Niederlagen bestimmt.“ (8) Eine grundlegende Reform im Bereich der deutschen Terrorismusbekämpfung sei unumgänglich. Bereits während seiner Tätigkeit im BfV wies er auf Fehlentwicklungen hin und schlug Verbesserungen der Arbeitsweisen vor, wie er im Folgenden darstellt, allerdings veränderte sich nichts. Zu viele Ereignisse – von der Geiselnahme von München 1972 bis zur Aufdeckung der Taten des Nationalsozialisten Untergrunds (NSU) 2011 – zeugten bisher vom „Versagen der Sicherheitsbehörden, und hier besonders der Geheimdienste“, und brachten den Staat damit „an die Grenze seiner Autorität“ (17), so Ridder. Fehler wurden bereits in den Gründungsjahren begangen, als ehemalige Mitglieder der Geheimen Staatspolizei beschäftigt wurden. „Der Graben zwischen dem, was sich […] zwischen 1967 und 1977 in der Gesellschaft der Bundesrepublik an emanzipatorischen Prozessen vollzog, und dem, was in den Sicherheitsbehörden begriffen wurde, hätte tiefer nicht sein können.“ (25) Einer der weiteren Hauptkritikpunkte Ridders ist der Einsatz von menschlichen Quellen, umgangssprachlich als V‑Leute bezeichnet. Diese galten immer als nahezu unverzichtbar, was der Autor allerdings ausführlich widerlegt. Insbesondere der Identitätskonflikt, in den eine Quelle aus dem „terroristischen Unterstützerbereich“ (69) unweigerlich gerate, gefangen zwischen Staat und der Gruppe, bilde ein unabsehbares Risiko. Stattdessen sollte der Einsatz hauptamtlicher verdeckter Ermittler ausgebaut werden. Höchst interessant lesen sich Ridders Ausführungen, ergeben sie doch ein informatives Bild von dem Zusammenwirken von Politik, Polizei und Nachrichtenbehörden angesichts der Herausforderungen des nationalen wie transnationalen Terrorismus. Der Autor fordert eine grundlegende Umgestaltung der Sicherheitsarchitektur, um die geschilderten „strukturellen, analytischen, operativen und handwerklichen Defizite zu beheben“ (155). Konkret schlägt Ridder unter anderem vor, dass das BfV sich nur noch dem Sammeln und Auswerten von relevanten Daten verfassungsfeindlicher Bestrebungen widmet, während die weitere Bekämpfung einem polizeilichen Staatsschutz überlassen wird. „Die Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus gehört in eine Hand. Und dies kann nur die Polizei sein.“ (9)
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Rubrizierung: 2.3242.372.352.3132.343 Empfohlene Zitierweise: Simone Winkens, Rezension zu: Winfried Ridder: Verfassung ohne Schutz. München: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38342-verfassung-ohne-schutz_43691, veröffentlicht am 30.04.2015. Buch-Nr.: 43691 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken