Im zehnten Sammelband der „Edition Länderseminare”, die vom Tübinger „Zentrum für wissenschaftliche Kommunikation mit Ibero-Amerika” herausgegeben wird, versuchen deutsche und venezolanische Wissenschaftler, Politiker und Journalisten, die Ursachen und Tendenzen der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen in Venezuela zu ordnen und zu bewerten – zum Teil mit offenem Ansatz und mit unterschiedlichen Ergebnissen. Nach mehr als einer Dekade – partiell gewalttätiger - sozialer und politischer Auseinandersetzungen, die nach der Wahl des Präsidenten Hugo Chávez zu einer fundamentalen institutionellen und wirtschaftlichen Neuausrichtung führten, schwanken die Einschätzungen zwischen einem populistischen Autoritarismus und einem antiliberalen Vorbild für die politische Neuausrichtung Südamerikas. Die – zu einem wesentlichen Teil aus dem Spanischen übersetzten – Aufsätze sind Vorträge eines interdisziplinären Seminars zu Venezuela im Juni 2002 in Tübingen, die meisten Beiträge wurden im Sommer 2004 aktualisiert. Die Darstellung gliedert sich in fünf Abschnitte: Das Kapitel über den politischen und gesellschaftlichen Wandel stellt die Ursachen der jahrelangen politischen Transformation vor Chávez’ Wahl, den Wandel des elitären Parteiensystems und die Politik des aktuellen Präsidenten dar. Im zweiten Abschnitt wird der „Bolivarianismo”, die komplexe ideologische Grundlage der Regierung Chávez’ unter Rückgriff auf linke Revolutionsrhetorik und den Bolívar-Mythos genauer beleuchtet. Anschließend werden die ökonomische Entwicklung Venezuelas und der politische Kampf um die Kontrolle des omnipräsenten Wirtschaftsfaktors Erdöl beschrieben, zugleich werden auch Potenziale im Tourismussektor angesprochen. Im vierten Teil werden die partizipative und repräsentative Demokratie und die Gesetzgebungspraxis der venezolanischen Regierung ausführlich dargestellt, bevor schließlich auf die vielfältige Musiktradition Venezuelas und die Eindrücke deutscher Reisender in Venezuela eingegangen wird. Aus dem Inhalt: I. Politischer und gesellschaftlicher Wandel: Andreas Boeckh: Die Ursachen des unaufhaltsamen Aufstiegs von Hugo Chávez Frías: Krise und Selbstmord der IV. Republik (19-29); Friedrich Welsch: Demokratische Revolution oder Rückfall in Autoritarismus? (30-37); Nikolaus Werz: Populismus und Parteien in Venezuela (38-57), Nelson Acosta Espinosa: Kultur und Politik: Venezuela in vier Zeiten (58-78). II. Die Bolivarische Republik Venezuela: Analysen und Ansichten: Andreas Boeckh / Patricia Graf: Der Comandante in seinem Labyrinth: das bolivarische Gedankengut von Hugo Chávez (81-105), Peter B. Schumann: Hugo Chávez und seine Revolution. Die Sicht eines deutschen Publizisten (106-112), Teodoro Petkoff: Chávez und die Medien (113-122), Luis Britto García: 1. Erleben wir eine Revolution? (123-129), Luis Britto García: 2. Venezuela, bolivarische Revolution und die Opposition der Putschisten (130-137). III. Wirtschaftliche Entwicklung: Dorothea Melcher: Petroleumrepublik Venezuela (141-157), Heinz G. Preuße: Das Erdöl und die Weltordnung: Konflikte zwischen Konsumenten und Produzenten (158-172), Hans-Jürgen Burchardt: Die Wirtschaftspolitik des Bolivarianismo: von der holländischen zur venezolanischen Krankheit? (173-189), Carlos E. Dávila / Udo Vollmer: Die Potentiale des Tourismus in Venezuela (190-201). IV. Rechtskultur: Humberto Njaim: Der Umgang mit der partizipativen Demokratie in Venezuela (205-232), Nicole Monleón / Rosario Then de Lammerskötter: Zur Reform des Rechtswesens in Venezuela (233-265), H. Dieter Heinen / Antonio Pérez: Zur Lage der indigenen Bevölkerung unter der neuen Verfassung Venezuelas (266-276). V. Musik und Kulturaustausch: Ivo Hernández: Zur Geschichte der Musik in Venezuela (279-295), José Angel Rodríguez: Deutsche Reisende in Venezuela und ein Venezolaner in Deutschland (296-313).