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Lea Arnold

Unabhängige Wirtschaftspolitik. Wissenschaftliche Politikberatung seit 1968 am Beispiel der Fünf Wirtschaftsweisen

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010 (VSW Research); 175 S.; 29,95 €; ISBN 978-3-531-17553-9
Politikwiss. Magisterarbeit Jena; Gutachter: T. Oppelland. – Der Sachverständigenrat für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) ist eines der ältesten wirtschaftswissenschaftlichen Beratungsgremien in Deutschland. Die Autorin untersucht, inwieweit das Gremium zwischen 1964 und 2005 tatsächlich Ludwig Erhards Anspruch, zu einer „entpolitisierten Wirtschaftspolitik“ (17) beizutragen, gerecht geworden ist. Aus politikwissenschaftlicher Perspektive betrachtet sie dazu die Wechselwirkungen zwischen dem SVR, dem Bundeskanzleramt, dem Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzministerium. Als Quellen dienen unter besonderer Berücksichtig der Minderheitsvoten die Jahresgutachten des SVR und der darauf folgende Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung. Arnold stellt ihre Analyse in den Kontext der aktuellen Kritik am SVR. Angemerkt werden von ihr u. a. eine mangelhafte Öffentlichkeitsarbeit, die fehlende Berücksichtigung ökologischer Faktoren und insbesondere die Zunahme von Minderheitsvoten. So vertrat der Rat 2008 in der Debatte um Mindestlöhne bei fünf Mitgliedern drei verschiedene Positionen. Die Autorin macht eine wirtschaftspolitische Langzeitentwicklung (1964 bis 1998) des Gremiums von einer keynesianischen zu einer angebotspolitischen Orientierung aus. In der rot-grünen Regierungszeit sieht sie den Versuch, einen „Mittelweg zwischen den bisherigen Polen“ (138) zu beschreiten. Die entpolitisierende Wirkung des SVR in der Gesamtzeit seines Bestehens schätzt Arnold als sehr gering ein. Sie macht die Hauptursache hierfür im Berufungsverfahren der Ratsmitglieder – sie werden auf Vorschlag der Bundesregierung durch den Bundespräsidenten ernannt – aus. Vor allem, so die Autorin, sei der Einfluss des Bundeswirtschaftsministers und des Bundeskanzleramts sehr hoch, „sie kooptieren die Ratsmitglieder, die in ihren wirtschaftswissenschaftlichen Ausrichtungen der Regierungspolitik förderlich sind“ (150). Derart sei das Gremium politisiert und Minderheitsvoten würden von der Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht durchgängig ignoriert.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.2 | 2.342 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Lea Arnold: Unabhängige Wirtschaftspolitik. Wiesbaden: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32765-unabhaengige-wirtschaftspolitik_39136, veröffentlicht am 02.02.2011. Buch-Nr.: 39136 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken