Über Bürgerbeteiligung hinaus. Stadtentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe? Analysen und Konzepte
Der Autor des umfangreichen Bandes ist Professor für Planungstheorie und Stadtentwicklung. Dementsprechend weicht sein Zugriff auf das Thema Bürgerbeteiligung von politikwissenschaftlichen Arbeiten ab. Stets wird ein praktischer Anspruch verfolgt, der auf zahlreichen empirischen Erfahrungen gründet. Das Buch umfasst 14 Einzelabschnitte, die, wie der Autor selbst schreibt, vor allem aus Vorträgen hervorgegangen sind. Dabei kommt es zwangsläufig zu gelegentlichen Überschneidungen. Die häufige Bebilderung resultiert ebenfalls aus dem Vortragsstil. Das Buch hebt sich jedoch deutlich von „zusammengeschusterten“ Arbeiten ab. Klaus Selle schreibt ausgesprochen flüssig, ohne dabei undifferenziert zu argumentieren. Mit seiner Warnung vor einem unverbindlichen „Particitainment“ trifft er eine entscheidende Schwachstelle vieler neuer Beteiligungsverfahren – und illustriert diese mit treffenden Beispielen. Gegen die Gefahr einer Placebo‑Funktion von Beteiligungsverfahren führt der Autor vor allem zwei Mechanismen ins Feld: Bürgerbeteiligung sollte seines Erachtens verbindlich sein sowie als Teil kommunikativer Governance aufgefasst werden. Beteiligung wird dabei nicht naiv verklärt, sondern anschaulich als zentraler Bestandteil kommunaler Politik im aristotelischen Sinne skizziert. Es geht Selle um die realistische Verstetigung von Beteiligungskultur. Insofern ist das Buch als emphatisches Plädoyer für Good Governance in einem bürgergesellschaftlichen Sinn und wider die Versuchungen moderner Scheinpartizipation zu lesen. Die Abhandlung kann, gerade aufgrund des völlig anderen Zugriffs und der allgemeinverständlichen Sprache, als Ergänzung zu Ingolfur Blühdorns Kritik an der „Simulativen Demokratie“ (siehe Buch‑Nr. 41089) angesehen werden.