
Tschechien in Europa. Nationalpolitische Traditionen und integrationspolitische Konzepte
Diss. Mannheim, Gutachter: E. Jahn, K. Schönhoven. – Dem Regimewechsel in den osteuropäischen Staaten folgten deren Bemühungen, sich in die EU zu integrieren. So hatten diese Länder also nicht nur ihre Rolle als souveräne Nationalstaaten neu zu finden, sondern auch diese neu gewonnene Unabhängigkeit in Einklang mit der EU-Integration zu bringen. Welche nationalpolitischen Kontinuitäten spielten vor diesem Hintergrund bei der Transformation in einem Land wie Tschechien noch eine Rolle? Wie wirken diese auf die Positionierung des Landes angesichts einer immer mehr in Richtung Supranationalität strebenden EU? Der Autor untersucht die Positionen der vier wichtigsten Parteien: von der staatsnationalen Bürgerpartei und den nationalkonförderativen Christsozialen bis zu den Nationalkommunisten, mit den Sozialdemokraten in der Mittelposition, die tendenziell in Richtung eines europäischen Bundesstaates streben. Dabei betrachtet Weichsel vor allem das staatspolitische Selbstverständnis der Parteien und leitet ihre Positionierung gegenüber der EU schlüssig von den Vorstellungen über die innertschechische Staatsorganisation her: Die nationalen Bedeutungszuweisungen an Staat und Nation prägen also die Rolle, die der Staat im Rahmen der europäischen Integration spielen soll – und dementsprechend auch die Vorstellungen über das institutionelle Design der EU. Die europapolitische Positionierung der tschechischen Parteien muss aus dieser Perspektive also in viel stärkerem Maße von traditionellen Staatsvorstellungen hergeleitet werden als dies im Kontext des osteuropäischen Transformationsprozesses gemeinhin erwartet werden könnte. Insofern lassen sich die Wurzeln der unterschiedlichen Konzepte von transatlantischer Partnerschaft, europäischem Bundesstaat, Neutralität oder Bindung an Russland aus der tschechischen Innenpolitik heraus erklären.