Gewalt sei in der Gegenwart nicht verschwunden, sie habe nur ihre Erscheinungsform geändert und trete nunmehr nicht als Fremdherrschaft, sondern als Selbstzwang auf – so lautet die zentrale These dieser Monografie, die im Diskurs mit zahlreichen aktuellen Philosophen profiliert wird. Gewalt erscheine gegenwärtig nicht mehr als äußerliche Brutalität, sondern als verinnerlichte Selbstausbeutung. Auch lebten wir nicht mehr in einer Disziplinargesellschaft (Freud, Kant, Foucault), sondern in einer Leistungsgesellschaft, sodass uns zwar keine externen Forderungen mehr begegneten, aber damit auch kein externes Lob mehr zu hören sei – und diese „gestörte Gratifikationskultur“ (39) führe zu Depressionen. In Auseinandersetzung mit Carl Schmitt, Walter Benjamin und vor allem Giorgio Agamben betont Han, dass nicht mehr die (willkürliche und übermächtige) Staatsgewalt, sondern vielmehr Konformismus und Konsens gefährlich seien, weil sie das politische und gesellschaftliche System verstopften, sodass es keinen Widerstand mehr gegen das kapitalistische System gebe, das alles gleich mache: zum „Mann ohne Charakter“ (63). Hans Kritik an den gegenwärtigen Verhältnissen ist pointiert und klar, wenngleich seine Formulierungen etwas redundant sind. Immer geht es darum, dass die nach innen gewendete Macht den Einzelnen wie die Gesellschaft durch Selbstausbeutung zerstöre und dass es weitaus schwieriger sei, dieser neuen Gewaltform zu widerstehen, weil sie im Gewand der Freiheit und Selbstbestimmung auftrete und die Seele selbst (als einem Hort der inneren Gewissheit und damit als Wurzel des Widerstandes) infiltriere. Als Ausweg deutet Han auf die „Freundlichkeit“ (65) beziehungsweise „Freundschaft“ (91), beide respektieren das andere, das somit nicht verinnerlicht noch konformistisch angeglichen wird.