
The Public Role of the Church in Contemporary Ukrainian Society. The Contribution of the Ukrainian Greek-Catholic Church to Peace and Reconciliation
Die Rolle der Kirchen im Rahmen der jüngeren Umwälzungen in der Ukraine ist ein Kapitel, das vergleichsweise wenig mediale Aufmerksamkeit erfahren hat. Dabei blickten die Kirchen der Ukraine auf eine längere Geschichte der Versöhnungsarbeit zurück, schreibt Myroslava Rap, die angesichts der Umbrüche im Land von besonderem Wert sein könne. Rap, die selbst zuvor eine Dokumentenedition der Kirche zu sozialen Fragen mitherausgegeben hat, widmet sich vor diesem Hintergrund der Rolle der griechisch‑katholischen Kirche und ihrer Theologie der Versöhnung. Diese habe in der Vergangenheit durch die Forschung kaum Beachtung erfahren. Ihr geht es darum, neben dem Inhalt und der Bedeutung auch das Potenzial dieser Versöhnungstheologie zu ermitteln. Gleichzeitig unternimmt die Autorin den Versuch, diese in den breiteren theologischen Diskurs zum Thema Versöhnung einzuordnen. Sie führt zu diesem Zweck eine Dokumentenanalyse der von der Kirche im Zeitraum von November 1989 bis März 2014 veröffentlichten Erklärungen durch, die von den jeweiligen Oberhäuptern, der Bischofssynode sowie der Kirchenkommission für Gerechtigkeit und Frieden abgegeben wurden. Die Erklärungen werden dabei im Rahmen des breiteren theologischen Versöhnungsdiskurses kontextualisiert. Dazu zieht sie die Arbeiten des katholischen Theologen Robert Schreiter, des evangelisch‑protestantischen Theologen Miroslav Volf und des Soziologen John Paul Lederach heran. Der eigentlichen Analyse stellt sie zunächst ein Hintergrundkapitel zu den Fragen von Religiosität sowie zu den Beziehungen zwischen den Kirchen und ihrer identitären Funktion in der heutigen Ukraine voran. Sie weist auf die historisch bedingte kirchliche Pluralität des Landes und die Abwesenheit einer dominanten Kirche hin; ausgehend von einer interkonfessionellen Rivalität in den frühen 1990er‑Jahren habe sich heute ein Kampf um die führende Position in der ukrainischen Christenheit entwickelt. Diese Vorstellung prägt dann auch den weiteren Verlauf der Analyse, in der die Herausforderungen für die kirchlichen Versöhnungsbemühungen beschrieben werden. Das schließt auch die identitären, historischen und sprachlichen Spaltungen ein, die als Ringen zwischen zwei ‚Ukrainen‘ bezeichnet werden. Nach Rap lässt sich in den zentralen Dokumenten der griechisch‑katholischen Kirche eine Leitidee identifizieren, wonach über die spirituelle Einheit der Kirchen in Form eines inklusiven Kiewer Patriachats die Konsolidierung der gespaltenen Ukraine im Sinne einer nationalen Einheit herbeigeführt werden soll.