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Annette Parys

Terrorismusstrafrecht in Russland

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Schriften zum Internationalen und Europäischen Strafrecht 16); 342 S.; 89,- €; ISBN 978-3-8487-1525-1
Rechtswiss. Diss. HU Berlin; Begutachtung: F. Jeßberger, A. Blankenagel. – Seit den Anschlägen von 9/11 gehen immer mehr Staaten mit Verschärfungen des Strafrechts oder gar mit der Legalisierung von militärischer Gewaltanwendung im Innern gegen terroristische Bedrohungen vor. Annette Parys widmet sich in ihrer Dissertation den entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen in Russland. Sie „untersucht die materielle und prozessuale Strafrechtslage bei terroristischen Gewaltakten. Die einschlägigen Straftatbestände werden ausführlich analysiert und darüber hinaus die Frage gestellt, ob und inwiefern es Modifizierungen des Strafverhaltens bei Verdacht auf eine solche Straftat gibt.“ (17). Im Zuge einer breit angelegten Überblicksdarstellung zur russischen Anti‑Terror‑Gesetzgebung, deren Grundlagen weit in die 1990er‑Jahre, der Zeit der Konflikte im Nordkaukasus, zurückreichen, zeigt Parys unter anderem, dass es in Russland seit 1994 zwei konkurrierende gesetzliche Bestimmungsversuche zum Terrorismus gibt. Analog zur europäischen oder zu anderen Rechtssetzungsversuchen ist zwar zu beobachten, dass der Begriff immer besser und präziser rechtlich gefasst wird. Dabei stellt die Ausübung von Gewalt ein Grundcharakteristikum dar, darüber hinaus werden zudem konkrete Handlungen – etwa das Verüben von Sprengstoffanschlägen – als einschlägige Straftatbestände benannt. Demgegenüber bleibt bei der Attribuierung einer Straftat als terroristisch immer auch ein politisches Moment. Insgesamt kommt Parys mit Blick auf die gegenwärtige Situation in Russland zu einem differenzierten Befund. Das Strafmaß für die Verübung terroristischer Handlungen sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht worden, wobei bei der Definition des objektiven Tatbestandes „einige unbestimmte Rechtsbegriffe“ (299) verwendet würden. Zudem sei mit dem Terrorismusstrafrecht ein Sonderstrafrecht entstanden, das sich jenseits des normalen Strafrechts bewege. Parys macht überaus deutlich, dass damit nicht dem eigentlichen Ziel einer nachhaltigen und rechtsstaatlich sauberen Terrorismusbekämpfung gedient ist: „Gerade für eine effektive und auf lange Sicht erfolgreiche Terrorismusbekämpfung ist es also unerlässlich, das Primat der Strafjustiz wieder herzustellen und Terroristen damit als Straftäter und nicht als militärische Feinde zu behandeln.“ (307) Damit wird der Befund auch demokratietheoretisch interessant: Nicht der starke Staat, wie Russland es zu sein versucht, wird gegen den Terrorismus bestehen, sondern letztlich nur der Rechtsstaat.
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Rubrizierung: 2.622.212.25 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Annette Parys: Terrorismusstrafrecht in Russland Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38643-terrorismusstrafrecht-in-russland_46921, veröffentlicht am 16.07.2015. Buch-Nr.: 46921 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken