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Martin Sabrow (Hrsg.)

1989 und die Rolle der Gewalt

Göttingen: Wallstein Verlag 2012; 428 S.; brosch., 34,90 €; ISBN 978-3-8353-1059-9
Der Umbruch von 1989 wird gemeinhin als friedliche Revolution bezeichnet, gleichwohl kam es in zahlreichen Staaten zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Insgesamt aber lief der Umsturz der politischen Verhältnisse erstaunlich friedlich ab. In diesem Band geht es um die Rolle von Gewalt und Nicht-Gewalt im europäischen Vergleich. Er geht zurück auf eine Vorlesungsreihe am Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) im Jubiläumsjahr 2009. Die Mehrzahl der Beiträge ist den Ereignissen in der DDR gewidmet. Bernd Schäfer, Historiker in Washington, analysiert die Möglichkeit einer chinesischen Lösung, also der gewaltsamen Niederschlagung jedweder oppositioneller Bestrebungen in der DDR. Die Solidaritätsbekundungen der Führungsriege um Egon Krenz nach dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz werden als eher reflexhaft eingeordnet. Allerdings habe die Verteidigung des chinesischen Vorgehens dann zur weiteren Delegitimierung der DDR-Führung beigetragen und auch der demonstrative Gewaltverzicht der Demonstranten sei nicht zuletzt durch die Erfahrung der chinesischen Lösung mitgeprägt gewesen. Peter Haslinger, Direktor des Herder-Instituts Marburg, steuert den einzigen Beitrag bei, der nicht dezidiert einem bestimmten Land gewidmet ist. Er formuliert allgemeine Überlegungen zu den Handlungslogiken von 1989 in Ostmitteleuropa und stellt treffend fest, dass die Zuschreibung der „Gewaltlosigkeit“ nur retrospektiv erfolgen könne – die Gefahr eines „jederzeit mögliche[n] massive[n] Einsatz[es] staatlicher Gewalt“ (276) sei allen Akteuren bewusst gewesen. Leider fehlt eine einheitliche Definition von Gewalt, auf die sich alle Ausführungen hätten stützen können – bei Haslinger ist es eben „staatliche Gewalt“, bei Jan C. Behrends, Projektleiter am ZZF, der „willkürliche Einsatz militärischer oder anderer physischer Gewalt gegen die Zivilbevölkerung oder gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen sozialen oder ethnischen Gruppen“ (401) – im heutigen Russland sei Gewalt wieder als Mittel der Politik etabliert.
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.25 | 2.61 | 2.2 | 2.68 | 2.314 | 4.22 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Martin Sabrow (Hrsg.): 1989 und die Rolle der Gewalt Göttingen: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35083-1989-und-die-rolle-der-gewalt_42225, veröffentlicht am 24.05.2012. Buch-Nr.: 42225 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken